1. Gemäß § 2078 Abs. 2 BGB kann eine letztwillige Verfügung angefochten werden, soweit der Erblasser zu der Verfügung durch eine irrige Annahme eines Umstandes bestimmt worden ist (Motivirrtum). Maßgeblich ist dabei der Zeitpunkt der Testamentserrichtung. An den Nachweis eines Motivirrtums müssen aber sehr strenge Anforderungen gestellt werden.

2. Zum Motivirrtum zählen auch die fehlgeschlagene Erwartung zukünftiger Entwicklungen, etwa die Erwartung des Ausbleibens tiefgreifender Unstimmigkeiten mit dem Bedachten, wobei auch unbewusste Vorstellungen und solche, die auf als selbstverständlich angenommen Voraussetzungen beruhen, ausreichen können. Deshalb können im Einzelfall auch irrige Vorstellungen des Erblassers in Bezug auf die eheliche Treue der Ehefrau einen zur Anfechtung berechtigenden Motivirrtum begründen. Jedoch sind solche (auch "unbewussten") Erwartungen und vor allem ihre Ursächlichkeit für die Verfügung eines Erblassers nicht allgemein und in jedem Falle oder auch nur im Normalfall anzunehmen. Es müssen vielmehr besondere Umstände des Einzelfalles eine solche Annahme rechtfertigen.

3. Lassen sich die Motive des Erblassers bzw. ihr Gewicht im Einzelnen nicht mehr aufklären, so ist die Anfechtbarkeit zu verneinen.

OLG Hamm, Beschl. v. 8.12.2021 – 10 W 27/20

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