Die zulässigen Beschwerden haben in der Sache Erfolg. Das Nachlassgericht ist zu Unrecht zu dem Ergebnis gelangt, dass die Beteiligte zu 1 Alleinerbin der Erblasserin ist. Eine solche Erbfolge ergibt sich weder aus dem undatierten Testament der Erblasserin – dieses ist mangels Unterschrift gemäß § 2247 Abs. 1 iVm § 125 Satz 1 BGB unwirksam –, noch im Wege der – ergänzenden – Auslegung des notariellen Erbvertrags vom 8.4.1975. Entgegen der Auffassung des Nachlassgerichts ist die Beteiligte zu 1 nicht Ersatzerbin ihres darin als Schlusserbe eingesetzten Ehemannes.

1. Die ergänzende Auslegung setzt voraus, dass das Testament eine planwidrige Regelungslücke aufweist, die durch den festzustellenden Willen des Erblassers zu schließen ist. Dabei muss aus dem Gesamtbild des Testaments selbst eine Willensrichtung des Erblassers erkennbar sein, die tatsächlich in Richtung der vorgesehenen Ergänzung geht. Durch sie darf kein Wille in das Testament hingetragen werden, der darin nicht andeutungsweise ausgedrückt ist (vgl. Palandt/Weidlich, BGB, 72. Aufl. 2013, § 2084 Rn 9 mwN). Durch ergänzende Testamentsauslegung kann also die durch den Wegfall des Bedachten entstandene Lücke nur dann geschlossen werden, wenn die für die Zeit der Testamentserrichtung anhand des Testaments oder unter Zuhilfenahme von Umständen außerhalb des Testaments oder der allgemeinen Lebenserfahrung festzustellende Willensrichtung des Erblassers dafür eine genügende Grundlage bietet (BGHZ 22, 357 <360>; LM § 2078 Nr. 3; FamRZ 1983, 380 <382>; MüKo-BGB/Leipold, 5. Aufl. 2010, § 2084 Rn 88 mwN). Nach der Willensrichtung des Erblassers im Zeitpunkt der Testamentserrichtung muss anzunehmen sein, dass er die Ersatzerbeneinsetzung gewollt hätte, sofern er vorausschauend die spätere Entwicklung bedacht hätte (BayObLGZ 1988, 165 <167>). Da es auf den hypothetischen Erblasserwillen im Zeitpunkt der Testamentserrichtung ankommt, können spätere Handlungen oder Äußerungen des Erblassers nur zusätzliche Indizien dafür sein, wie er im damaligen Zeitpunkt verfügt hätte (BayObLG NJW-RR 1993, 459). Steht eine ergänzende Auslegung von vertragsmäßigen Verfügungen im Rahmen eines Erbvertrags inmitten, ist nicht nur nach dem hypothetischen Willen des überlebenden Ehegatten zu fragen, sondern von der gemeinsamen bei der Testamentserrichtung bestehenden Willensrichtung der Ehegatten auszugehen (MüKo-BGB/Leipold aaO Rn 98).

2. Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze teilt der Senat die Auffassung des Nachlassgerichts nicht, dass sich die Ersatzerbenstellung der Beteiligten zu 1 im Wege der ergänzenden Auslegung der von den Ehegatten in ihren in dem Erbvertrag vom 8.4.1997 getroffenen letztwilligen Verfügungen ergibt.

a) Der Senat ist im Hinblick auf die Lebenssituation der Ehegatten und der von ihnen getroffenen Verfügungen schon nicht davon überzeugt, dass eine unbewusste Regelungslücke vorliegt.

Zu Recht hat das Nachlassgericht den Inhalt der Ziffer 4 ("Weiter bestimmen wir heute nichts") als auslegungsbedürftig angesehen. Eine solche Formulierung kann bedeuten, dass die Ehegatten bei Abschluss des Erbvertrags über die in Ziffer II 1.–3. getroffenen Verfügungen hinaus bewusst von weiteren Verfügungen, insbesondere weiterer Ersatzerbeneinsetzungen, abgesehen haben. Das kann aber auch heißen, dass sie es nicht für notwendig gehalten haben, eine weitere Ersatzerbenregelung zu treffen, weil sie ein Versterben des Bedachten ohne Abkömmlinge für unwahrscheinlich gehalten haben. Denkbar ist schließlich, dass es sich bei dieser Formulierung lediglich um eine Standardformulierung handelt, der ein eher floskelhafter Charakter zu kommt (vgl. OLG Düsseldorf ZEV 2012, 662 <663>).

Entgegen der Meinung des Nachlassgerichts deutet die Lebenserfahrung nicht darauf hin, dass die Ehegatten zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung im Hinblick auf das Alter des Bedachten (30 Jahre) und dessen erst 2 1/2 Jahre zurückliegende Heirat es für nicht wahrscheinlich hielten, dass ihr Sohn ohne Abkömmlinge vorversterben würde. Ein Vorversterben ihres Sohnes haben die Ehegatten ausdrücklich im Wege der Ersatzerbenbestimmung zugunsten dessen Abkömmlingen in Ziffer 3 geregelt. Das zeigt, dass die Ehegatten ein Vorversterben ihres Sohnes in Erwägung gezogen haben und sich dabei mit der Frage auseinandergesetzt haben, wer dann den gemeinsamen Nachlass nach ihrem beidseitigen Ableben erhält. Angesichts der eigenen Lebenssituation der Ehegatten, nämlich dass aus ihrer Ehe keine gemeinsamen Kinder hervorgegangen sind, ist es nach Auffassung des Senats jedenfalls mit gleicher Wahrscheinlichkeit denkbar, dass sich für die Ehegatten neben der Frage der Erbfolge bei Vorversterben ihres Sohnes auch die Frage gestellt hat, wer ihr Vermögen erhält, falls auch die Ehe ihres Sohnes kinderlos bleiben sollte. Insofern kann die Formulierung in Ziffer II.4 auch darauf hindeuten, dass sich die Ehegatten zunächst bewusst auf die getroffene Erbfolge beschränken wollten und insofern von einer weiteren Ersatzerbenregelung abgesehen ...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge