Entscheidungsstichwort (Thema)

Abkömmlinge des Erblassers

 

Leitsatz (redaktionell)

Schon in der Einsetzung einer dem Erblasser nahestehenden Person kann ein Anhalt für seinen Willen gesehen werden, dass beim Wegfall des Bedachten insbesondere dessen Abkömmlinge an seine Stelle treten sollten.

 

Normenkette

BGB §§ 2069, 2096

 

Verfahrensgang

LG Regensburg (Beschluss vom 06.08.1992; Aktenzeichen 5 T 23/92)

AG Cham (Aktenzeichen VI 280/91)

 

Tenor

I. Auf die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1 wird der Beschluß des Landgerichts Regensburg vom 6. August 1992 aufgehoben.

II. Die Sache wird zu anderer Behandlung und neuer Entscheidung an das Landgericht Regensburg zurückverwiesen.

 

Tatbestand

I.

Der … im Alter von 71 Jahren verstorbene Erblasser war zweimal verheiratet. Aus seiner ersten, im Jahr 1961 geschiedenen Ehe ist als einziges Kind die im Jahr 1954 geborene Beteiligte zu 2 hervorgegangen. Seine zweite, am 7.7.1973 geschlossene Ehe mit der am 22.5.1925 geborenen italienischen Staatsangehörigen … A. ist kinderlos geblieben. Aus deren im Jahr 1971 geschiedenen ersten Ehe stammt die im Jahr 1943 geborene Beteiligte zu 1.

Der Erblasser hat am 15.3.1963 ein privatschriftliches Testament errichtet, das er beim Amtsgericht … in Verwahrung gab. Es lautet auszugsweise wie folgt:

Ich … bestimme hiermit als meinen letzten Willen:

Meine Erbin soll meine einziggeliebte A….

… geb… sein. Auf die gesetzliche Erbfolge darf keine Rücksicht genommen werden. Ich betone ausdrücklich, daß auch das Kind… (Beteiligte zu 2) nicht erben darf.

Der Nachlaß besteht im wesentlichen aus Bankguthaben in Höhe von rund 113.000 DM sowie aus zwei Kraftfahrzeugen. Sein Anwesen in W. hatte der Erblasser zu notarieller Urkunde vom 15.5.1975 auf seine zweite Ehefrau übertragen.

Nachdem die zweite Ehefrau des Erblassers am 13.11.1985 verstorben war, wurde der Beteiligten zu 1 ein auf die in der Bundesrepublik befindlichen Gegenstände beschränkter Erbschein erteilt, demzufolge sie in Anwendung italienischen Rechts ihre Mutter aufgrund Gesetzes allein beerbt habe. Der Erblasser hatte in der Nachlaßverhandlung vom 27.4.1987 erklärt, er schlage die Erbschaft aus jedem Berufungsgrund aus. Zu notarieller Urkunde vom 30.4.1987 hat die Beteiligte zu 1 dem Erblasser den unentgeltlichen Nießbrauch an dem von ihm bis zu seinem Tod bewohnten Anwesen in W. eingeräumt.

Das Nachlaßgericht wies mit Beschluß vom 13.12.1991 den Antrag der Beteiligten zu 1 zurück, ihr einen Alleinerbschein aufgrund des Testaments vom 15.3.1963 zu erteilen. Am 8.1.1992 ordnete es Nachlaßpflegschaft an. Als Nachlaßpfleger mit dem Wirkungskreis „Sicherung und Verwaltung des Nachlasses sowie die Ermittlung der Erben” wurde der Beteiligte zu 3 ausgewählt.

Die gegen den Beschluß vom 13.12.1991 eingelegte Beschwerde der Beteiligten zu 1 wies das Landgericht am 6.8.1992 zurück.

Gegen diesen Beschluß richtet sich die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1. Sie beantragt, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und ihr den beantragten Erbschein zu erteilen. Hilfsweise beantragt sie, die Sache an das Landgericht zurückzuverweisen. Die Beteiligte zu 2 beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen.

Das Nachlaßgericht hat inzwischen auch einen Antrag der Beteiligten zu 2 zurückgewiesen, ihr einen Alleinerbschein aufgrund gesetzlicher Erbfolge zu erteilen.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die zulässige weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1 ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht.

1. Das Landgericht hat ausgeführt:

Der Beteiligten zu 1 könne der beantragte Erbschein nicht erteilt werden, weil sie aufgrund des Testaments vom 15.3.1963 nicht Erbin geworden sei. In dieser letztwilligen Verfügung habe der Erblasser lediglich die Mutter der Beteiligten zu 1 als Erbin eingesetzt, mit der er damals noch nicht verheiratet gewesen sei. Ein Ersatzerbe sei nicht eingesetzt worden. Da die Beteiligte zu 1 kein Abkömmling des Erblassers sei, greife die Vorschrift des § 2069 BGB nicht ein. Auch eine ergänzende Testamentsauslegung führe nicht zu dem von der Beteiligten zu 1 erstrebten Alleinerbrecht. Ein wenn auch geringer Anhaltspunkt dafür, daß der Erblasser den Willen hatte, die Beteiligte zu 1 als Abkömmling der Bedachten sollte an deren Stelle treten, ergebe sich aus dem Testament selbst. Er habe die zur Erbin eingesetzte Mutter der Beteiligten zu 1 als seine „einziggeliebte” bezeichnet. Daraus folge, daß sie sich nahe gestanden hätten. Auch der Umstand, daß der Erblasser die gesetzliche Erbfolge ausgeschlossen habe, spreche dafür, daß die Zuwendung der Mutter nicht nur persönlich, sondern auch als der ersten ihres Stammes gelten sollte. Bei der Ermittlung des hypothetischen Erblasserwillens gehe die Beschwerdekammer davon aus, daß zwischen dem Erblasser und seiner Stieftochter ständig ein enger Kontakt bestanden hatte. Der Erblasser habe der Beteiligten zu 1 auch unbeschränkte Vollmacht bezüglich eines Schrankfachs seiner Bank erteilt. Aus dem Umstand, daß...

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