I.

Die Kläger nehmen die Beklagte auf teilweise Auskehr einer Leistung aus einer Lebensversicherung in Anspruch, weil die Beklagte diese ohne Rechtsgrund erlangt habe.

Die Beklagte ist die Tochter der am 23.11.2019 verstorbenen Versicherungsnehmerin. Die Kläger sind die drei Kinder einer weiteren, am 1.3.2017 vorverstorbenen Tochter der Versicherungsnehmerin. Diese hatte zum 1.2.2014 eine Rentenversicherung mit Rentenbeginn zum 1.2.2026 und einem Garantiekapital i.H.v. 306.713 EUR im Fall des vorherigen Todes abgeschlossen. Der Versicherungsschein enthält folgende Regelung zum Bezugsrecht (Anl. B 1, Bl. 33 d. A.):

"Für fällig werdende Leistungen haben Sie als Bezugsberechtigte benannt: Solange die versicherte Person lebt: die Versicherungsnehmerin. Bei Tod der versicherten Person: die Kinder der versicherten Person zu gleichen Teilen. Sie können das Bezugsrecht ändern, solange der Versicherungsfall noch nicht eingetreten ist. Hierzu benötigen wir eine schriftliche Erklärung von Ihnen. Sofern Sie die Nutzung des Online Service Meine … mit uns vereinbart haben, können Sie das Bezugsrecht dort jederzeit online ändern."

Die Versicherungsnehmerin wurde von den Klägern zu je 1/6 und von der Beklagten zu ½ beerbt (Anl. A 1, Bl. 10 d. A.). Mit Schreiben vom 17.2.2020 (Anl. A 3, Bl. 12 d. A.) teilte der Versicherer der Beklagten mit, dass er die auch Überschussanteile enthaltende Versicherungssumme i.H.v. 307.384,84 EUR an die Beklagte überwiesen habe.

Die Kläger sind der Auffassung, die Zahlung sei i.H.v. 76.346,22 EUR zu Unrecht und ohne Rechtsgrund erfolgt. Denn das Vorversterben ihrer Mutter habe zur Folge gehabt, dass die auf diese entfallene Bezugsrechtsbestimmung ins Leere gegangen sei, weshalb das Bezugsrecht insoweit gem. § 160 Abs. 3 VVG in den Nachlass der Versicherungsnehmerin gefallen sei. Sie haben die Beklagte daher in der Hauptsache auf Zahlung eines Kopfteils i.H.v. 25.448,74 EUR je Klagepartei, hilfsweise auf Rückzahlung von 76.346,22 EUR an die aus den Parteien bestehende Erbengemeinschaft und hilfsweise dazu auf die Feststellung der Zustimmungspflicht der Beklagten zur Entnahme eines Betrags i.H.v. 25.448,74 EUR je Klagepartei aus dem Nachlass der Versicherungsnehmerin in Anspruch genommen.

Die Beklagte, die Klageabweisung beantragt hat, hat geltend gemacht, dass den Klägern keinerlei Ansprüche zustünden. Folge des Vorversterbens des zweiten Kindes der Versicherungsnehmerin sei, dass der entsprechende Anteil der Beklagten gem. § 160 Abs. 1 S. 2 VVG angewachsen sei, weshalb die Auszahlung der Versicherungssumme an die Beklagte der Rechtslage entsprochen habe.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien in erster Instanz und den dort gestellten Anträgen wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung sowie die dort gewechselten Schrift-sätze verwiesen.

Das LG hat der Klage durch Urt. v. 4.5.2021, auf welches wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, mit dem Hauptantrag stattgegeben. Die Anwachsungsregel des § 160 Abs. 1 S. 2 VVG komme nur zum Tragen, wenn sich aus der Auslegung der Bezugsrechtsbestimmung kein anderes Ergebnis ergäbe. Dies sei hier der Fall, weil die Einräumung des Bezugsrechts unter ergänzender Heranziehung des § 2068 BGB dahingehend auszulegen sei, dass an die Stelle der vorverstorbenen Halbschwester der Beklagten deren Abkömmlinge, also die Kläger, treten sollten. Der geltend gemachte Bereicherungsanspruch stehe den Klägern daher zu.

Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung, mit welcher sie geltend macht, dass die Auslegung des LG rechtsirrig sei. Unabhängig davon stünde den Klägern der geltend gemachte Anspruch schon deshalb nicht zu, weil eine etwaige Rückabwicklung ausschließlich im Verhältnis zum Versicherer zu erfolgen habe.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beklagten wird Bezug genommen auf die Berufungsbegründung vom 23.7.2021.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des LG Ulm vom 4.5.2021 – Az. 2 0 623/20 abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Kläger verteidigen die angefochtene Entscheidung. In der Berufungsverhandlung, welche am 13.1.2022 vor dem Senat stattfand, haben die Kläger die Leistung des Versicherers an die Beklagte ausdrücklich genehmigt. Wegen der Einzelheiten der mündlichen Verhandlung wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.

II.

Der zulässigen Berufung der Beklagten bleibt der Erfolg versagt. Die Auslegung der Bezugsrechtsbestimmung durch das LG trifft zu. Nachdem die Kläger die Leistung an die Beklagte genehmigt haben, können sie von dieser die Auszahlung des geltend gemachten Betrags beanspruchen (§ 816 Abs. 2 BGB).

1.

Zu Recht hat das LG die Bezugsrechtsbestimmung dahingehend ausgelegt, dass diese die Kläger als Ersatzbezugsberechtigte ausweist.

a) Soweit die Kläger erstinstanzlich eine Anwendung der Vorschrift des § 160 Abs. 3 VVG geltend gemacht haben und die Beklagte eine Anwendung des § 160 Abs. 1 S. 2 VVG erreichen will, so ist das LG dem zu Recht nicht gefolgt. Denn es handelt sich insoweit ...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge