Leitsatz (amtlich)

Eine Bezugsrechtsbestimmung, welche die vorhandenen Kinder zu gleichen Teilen als Bezugsberechtigte bestimmt, beinhaltet für den Fall des Vorversterbens eines Kindes in der Regel die Bestimmung einer Ersatzbezugsberechtigung zu Gunsten der Abkömmlinge des vorverstorbenen Kindes.

 

Verfahrensgang

LG Ulm (Aktenzeichen 2 O 623/20)

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Ulm vom 04.05.2021, Az. 2 O 623/20, wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziff. 1 bezeichnete Urteil des Landgerichts Ulm ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann eine Vollstreckung der Kläger durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrags abwenden sofern nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags leisten.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Streitwert des Berufungsverfahrens: 76.346,22 EUR

 

Gründe

I. Die Kläger nehmen die Beklagte auf teilweise Auskehr einer Leistung aus einer Lebensversicherung in Anspruch, weil die Beklagte diese ohne Rechtsgrund erlangt habe.

Die Beklagte ist die Tochter der am 23.11.2019 verstorbenen Versicherungsnehmerin. Die Kläger sind die drei Kinder einer weiteren, am 01.03.2017 vorverstorbenen Tochter der Versicherungsnehmerin. Diese hatte zum 01.02.2014 eine Rentenversicherung mit Rentenbeginn zum 01.02.2026 und einem Garantiekapital in Höhe von 306.713 EUR im Falle des vorherigen Todes abgeschlossen. Der Versicherungsschein enthält folgende Regelung zum Bezugsrecht (Anl. B 1, Bl. 33 d.A.):

"Für fällig werdende Leistungen haben Sie als Bezugsberechtigte benannt:

Solange die versicherte Person lebt: die Versicherungsnehmerin.

Bei Tod der versicherten Person: die Kinder der versicherten Person zu gleichen Teilen.

Sie können das Bezugsrecht ändern, solange der Versicherungsfall noch nicht eingetreten ist. Hierzu benötigen wir eine schriftliche Erklärung von Ihnen. Sofern Sie die Nutzung des Online Service Meine ... mit uns vereinbart haben, können Sie das Bezugsrecht dort jederzeit online ändern."

Die Versicherungsnehmerin wurde von den Klägern zu je 1/6 und von der Beklagten zu 1/2 beerbt (Anl. A 1, Bl. 10 d.A.). Mit Schreiben vom 17.02.2020 (Anl. A 3, Bl. 12 d.A.) teilte der Versicherer der Beklagten mit, dass er die auch Überschussanteile enthaltende Versicherungssumme in Höhe von 307.384,84 EUR an die Beklagte überwiesen habe.

Die Kläger sind der Auffassung, die Zahlung sei in Höhe von 76.346,22 EUR zu Unrecht und ohne Rechtsgrund erfolgt. Denn das Vorversterben ihrer Mutter habe zur Folge gehabt, dass die auf diese entfallene Bezugsrechtsbestimmung ins Leere gegangen sei, weshalb das Bezugsrecht insoweit gem. § 160 Abs. 3 VVG in den Nachlass der Versicherungsnehmerin gefallen sei. Sie haben die Beklagte daher in der Hauptsache auf Zahlung eines Kopfteils in Höhe von 25.448,74 EUR je Klagepartei, hilfsweise auf Rückzahlung von 76.346,22 EUR an die aus den Parteien bestehende Erbengemeinschaft und hilfsweise dazu auf die Feststellung der Zustimmungspflicht der Beklagten zur Entnahme eines Betrags in Höhe von 25.448,74 EUR je Klagepartei aus dem Nachlass der Versicherungsnehmerin in Anspruch genommen.

Die Beklagte, die Klageabweisung beantragt hat, hat geltend gemacht, dass den Klägern keinerlei Ansprüche zustünden. Folge des Vorversterbens des zweiten Kindes der Versicherungsnehmerin sei, dass der entsprechende Anteil der Beklagten gemäß § 160 Abs. 1, Satz 2 VVG angewachsen sei, weshalb die Auszahlung der Versicherungssumme an die Beklagte der Rechtslage entsprochen habe.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien in erster Instanz und den dort gestellten Anträgen wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung sowie die dort gewechselten Schriftsätze verwiesen.

Das Landgericht hat der Klage durch Urteil vom 04.05.2021, auf welches wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, mit dem Hauptantrag stattgegeben. Die Anwachsungsregel des § 160 Abs. 1 Satz 2 VVG komme nur zum Tragen, wenn sich aus der Auslegung der Bezugsrechtsbestimmung kein anderes Ergebnis ergäbe. Dies sei hier der Fall, weil die Einräumung des Bezugsrechts unter ergänzender Heranziehung des § 2068 BGB dahin gehend auszulegen sei, dass an die Stelle der vorverstorbenen Halbschwester der Beklagten deren Abkömmlinge, also die Kläger treten sollten. Der geltend gemachte Bereicherungsanspruch stehe den Kläger daher zu.

Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung, mit welcher sie geltend macht, dass die Auslegung des Landgerichts rechtsirrig sei. Unabhängig davon stünde den Klägern der geltend gemachte Anspruch schon deshalb nicht zu, weil eine etwaige Rückabwicklung ausschließlich im Verhältnis zum Versicherer zu erfolgen habe.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beklagten wird Bezug genommen auf die Berufungsbegründung vom 23.07.2021.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Landgerichts Ulm vom 04.05.2021...

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