Leitsatz

1. Das eine Rechnungslegungspflicht auslösende Auftragsverhältnis kann nicht schon aus einer bloßen Bevollmächtigung als solcher abgeleitet werden. Sie betrifft regelmäßig nur das rechtliche Dürfen nach außen. Erforderlich ist die Einigung darüber, dass jemand für einen anderen in dessen Angelegenheiten tätig wird und pflichtgemäß tätig werden muss.

2. Der Grundsatz, wonach Ehegatten regelmäßig kein Auftragsverhältnis untereinander begründen, gilt wegen des die Ehe prägenden besonderen Vertrauensverhältnisses nicht pauschal für andere Angehörigenbeziehungen. Daraus folgt für das Verhältnis der Mutter zu dem von ihr bevollmächtigten Sohn indes auch nicht umgekehrt bereits "automatisch" ein Auftragsverhältnis (nebst Rechnungslegungspflicht). Entscheidend sind vielmehr alle Umstände des Einzelfalles.

3. Einigt sich eine Mutter mit ihrem erwachsenen, mit ihr nicht im selben Haushalt lebenden Sohn darauf, dass, falls sie irgendwann durch Krankheit oder Behinderung vorübergehend oder dauerhaft selbst nicht mehr dazu in der Lage sein sollte, ihre rechtlichen Angelegenheiten zu regeln und ihren Willen zu äußern, der Sohn sich um die Regelung ihrer rechtlichen Angelegenheiten kümmern soll, und wird ihm im Zusammenhang mit dieser Einigung von der Mutter eine ausdrücklich nur unter denselben Voraussetzungen geltende Vorsorgevollmacht erteilt, ist regelmäßig von einem zum Eintritt der entsprechenden Hilfsbedürftigkeit der Mutter wirksam werdenden Auftragsverhältnis auszugehen; ein solches Auftragsverhältnis verpflichtet den Sohn in der Regel dann auch zur Rechnungslegung.

4. Soweit ein auf die Erben einer Vollmachtgeberin übergegangener Rechnungslegungsanspruch nicht besteht, lässt das etwaige Auskunfts- und Zahlungsansprüche der Erbengemeinschaft gegen den Bevollmächtigten unberührt.

OLG Braunschweig, Urt. v. 28.4.2021 – 9 U 24/20

1 Tatbestand

I.

Die Parteien sind Geschwister. Zwischen ihnen und ihrem Neffen D. S., dem Sohn ihres Bruders G. S., besteht eine Erbengemeinschaft nach der am 31.12.2018 verstorbenen Mutter bzw. Großmutter, Frau E. S.

Die Klägerin hat Stufenklage gegen den Beklagten erhoben. In der ersten Stufe, in der sich das Verfahren befindet und über die das Landgericht durch das angefochtene Teilurteil entschieden hat, geht es allein darum, ob der Beklagte der Erbengemeinschaft Rechnung legen muss. Dem entsprechenden Antrag der Klägerin hat das Landgericht weitestgehend entsprochen und den Beklagten zur Rechnungslegung verurteilt. Diese erstinstanzliche Verurteilung bezieht sich auf die Zeit ab der dem Beklagten von der Erblasserin "für den Fall, dass" sie "aufgrund einer psychischen Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung vorübergehend oder dauerhaft nicht mehr in der Lage sein sollte," ihre "rechtlichen Angelegenheiten selbst zu regeln und" ihren "Willen zu äußern" erteilten "Vorsorgevollmacht (gilt erst bei Entscheidungsunfähigkeit)" vom 25.10.2007 bis einschließlich zum 31.3.2017. Den von der Klägerin über dieses Enddatum hinausgehend geltend gemachte Rechnungslegung hat das Landgericht nicht zuerkannt, weil ab 1.4.2017 das Betreuungsgericht der Erblasserin eine Kontrollbetreuerin zur Seite gestellt habe. Insoweit ist das Teilurteil rechtskräftig.

Gegen die Verurteilung zur Rechnungslegung hat der Beklagte Berufung eingelegt. Er meint, er sei für die Erblasserin nur aufgrund seines persönlichen Verhältnisses in Geldangelegenheiten tätig geworden. Deshalb brauche er keine Rechnung zu legen. Jedenfalls sei es treuwidrig, dies von ihm zu verlangen.

Der Beklagten beantragt,

das Teilurteil des Landgerichts teilweise abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil. Schon die wirtschaftliche Bedeutung der Vollmachtserteilung für die Erblasserin belege den Rechnungslegungsanspruch. Der Beklagte habe zudem unzuverlässig und eigennützig gehandelt.

Um die wechselseitig behaupteten Hintergründe der Vollmachtserteilung und Handhabung der Vollmacht zu klären, hat der Senat die vom Landgericht nicht vorgenommene persönliche Anhörung der Parteien und die Vernehmung des gemeinsamen Bruders G. S. als Zeugen nachgeholt.

Von der weiteren Darstellung des Tatbestands wird gem. §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 S. 1, 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO abgesehen.

2 Gründe

II.

Die Berufung hat teilweise Erfolg.

A. Die Berufung ist zulässig.

Die Zulässigkeit der Berufung in Bezug auf das Überschreiten der notwendigen Beschwer (§ 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) ist aufgrund der dafür ausreichenden Darlegungen des Beklagten (Berufungsbegründung S. 2-5 = Bl. 231-234 d.A.) gegeben.

Das Vorbringen reicht – auch unter Berücksichtigung der Einwendungen der Klägerin – als Schätzungsgrundlage aus.

Der Beklagte ist zur umfassenden, nach Einnahmen und Ausgaben von ihm eigenverantwortlich zu erstellenden geordneten Übersicht sämtlicher von ihm aufgrund der Vorsorgevollmacht vom 25.10.2007 bis zum 31.3.2017 getätigten Verfügungen der Erblasserin und Vorlage aller dazu erforderlichen Bele...

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