Zugunsten des KG Berlin könnte man nun ins Feld führen, dass in dem von ihm zu entscheidenden Fall gerade kein erst durch Abwägung in seiner Reichweite zu bestimmendes "allgemeines Rahmenrecht" zur Debatte stand, sondern die sehr konkrete Regelung des § 88 Abs. 3 TKG, die nach ihrem insoweit eindeutigen Wortlaut gerade keine Abwägung vorsieht. Ein solcher Einwand griffe aber zu kurz. Wie das KG Berlin selbst anerkennt (Rn 103 ff), kann jeder an der Kommunikation Beteiligte durch Einwilligung auf den Schutz des § 88 Abs. 3 TKG verzichten.[20] Neben der ausdrücklich oder konkludent erklärten Einwilligung ist zudem auch immer an die gewohnheitsrechtlich anerkannte[21] mutmaßliche Einwilligung zu denken.

Sowohl der Rechtfertigung aufgrund einer erklärten Einwilligung als auch aufgrund einer mutmaßlichen Einwilligung liegt aber wiederum dasjenige Prinzip zugrunde, das uns bereits bei der Bestimmung der Reichweite des allgemeinen Persönlichkeitsrechts begegnet ist, nämlich das Prinzip des überwiegenden Interesses.[22] Sowohl bei der Auslegung einer bereits erteilten Einwilligung als auch bei der Frage, ob ggf. eine mutmaßliche Einwilligung vorliegt, müssen deshalb sowohl die Interessen des Rechtsgutträgers als auch die des anderen Teils, des "Eingreifenden", gegeneinander abgewogen werden.

[20] Zur Einwilligung bei § 88 Abs. 3 S. 1 TKG s. etwa Bock, in Beck‘scher TKG-Kommentar, 4. Aufl. 2013, § 88, Rn 19, 56.
[21] BVerfG Beschl. v.11.1.2001 – 2 BvR 152/01.
[22] Das ist im Einzelnen umstritten. Vgl. dazu und zum folgenden Text aber insbesondere MüKo-StGB/Schlehofer, Vorbemerkung zu § 32 Rn 48, 58 ff, 184, 190 f.

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