Diese Argumentation ist aus mehreren Gründen befremdlich. Bereits der Anknüpfungspunkt, nämlich die Rechtsprechung des BGH zu den Voraussetzungen einer konkludenten Einwilligung des Patienten in die Weitergabe seiner personalen Daten durch seinen Arzt, passt hier ersichtlich nicht. Es geht dort um ein besonders geschütztes Vertrauensverhältnis, bei dem strenge Anforderungen an die Annahme einer Einwilligung zur Weitergabe gestellt werden müssen. Hier geht es aber um eine sozialübliche Kommunikation unter Privaten. Keiner der Kommunikationspartner nimmt bei einer Kommunikation via Facebook ein gesteigertes Vertrauen in Anspruch, wie es im Verhältnis des Patienten zum Arzt der Fall ist.

Gleichzeitig führen sowohl der Hinweis auf eine noch fehlende Verkehrssitte im Bereich der Kommunikation über Social-Media-Plattformen als auch der Hinweis auf die die Richtlinien von Facebook zum Gedenkstatus jeweilsin einen Zirkelschluss. Wenn eine Verkehrssitte als Anknüpfungspunkt noch fehlt, kann dieses Fehlen nicht als Argument gegen die Etablierung einer Verkehrssite ins Feld geführt werden. Vielmehr müsste man prüfen, ob es in vergleichbaren Bereichen, bspw. im Bereich der analogen Kommunikation, eine Verkehrssitte gibt, an die man anknüpfen kann. Mit Blick auf die Richtlinien zum Gedenkzustand stellt sich die Frage, ob diese überhaupt einen geeigneten Anknüpfungspunkt für die Auslegung darstellen, denn ihre Rechtmäßigkeit steht nicht fest. So hatte das LG Berlin in seiner erstinstanzlichen Entscheidung diese Richtlinien noch wegen § 307 BGB für unwirksam gehalten.

Anders könnte man es allenfalls dann sehen, wenn Facebook für seine Dienste gerade mit dem Hinweis auf den Ausschluss der Weitergabe im Erbfall geworben hätte, was aber nicht der Fall ist. Die Kommunikationspartner der Erblasserin konnten vielmehr bereits zu ihren Lebzeiten nicht davon ausgehen, dass die Erblasserin die Umstände und den Inhalt der mit ihr geführten Kommunikationen für sich behalten würde. Facebook stellt in seinem Facebook Messenger nicht ohne Grund eine eigene Funktion zur Weiterleitung von Nachrichten an Dritte zur Verfügung. Betrachtet man die Verkehrssitte, dürfte es zudem gerade der Üblichkeit entsprechen, dass der Adressat einer Nachricht, sei sie nun in elektronischer oder schriftlicher Form versandt worden, hierüber mit anderen kommunizieren und solche Nachrichten auch weiterleiten darf, wenn nicht ausnahmsweise besondere Umstände für eine Geheimhaltungsverpflichtung sprechen. Besondere Umstände, die gegen eine Befugnis zur Weiterleitung sprechen, können etwa vertragliche Vereinbarungen sein, das Bestehen eines besonderen Vertrauensverhältnisses oder der Umstand, dass die Kommunikation den Kernbereich der persönlichen Lebensführung betrifft.

Schließlich ist es im Bereich der schriftlichen Kommunikation sogar die Regel, dass Erben den Zugriff auf die Kommunikationsinhalte des Erblassers erhalten. Das zeigt der Blick auf die §§ 2047 Abs. 2, 2373 S. 2 BGB. So sind "Schriftstücke, die sich auf die persönlichen Verhältnisse des Erblassers" beziehen (vgl. § 2047 Abs. 2 BGB) sowie die Tagebücher und Briefschaften des Erblassers als Teil seiner "Familienpapiere" (vgl. § 2372 S. 2 BGB) ausdrücklich Bestandteil des Nachlasses.[32] Gerade die Briefschaften des Erblassers bestehen aber aus Briefen, die er von seinen Kommunikationspartnern erhalten hat, und damit die Rechte der Kommunikationspartner betreffen. Gleichwohl geht das BGB von einem Übergang im Wege des Erbgangs aus.[33]

[32] Prot. II S. 114.
[33] Vgl. dazu auch ausführlich die Besprechung des Urteils des KG Berlin von Herzog in diesem Heft, S. 225 ff.

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