Der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln hatte sich mit der mittlerweile hoch umstrittenen Frage zu beschäftigen, ob die vom Erblasser gezahlten Versicherungsprämien Gegenstand der Zuwendung im Pflichtteilsrecht sind oder die ausbezahlte Versicherungssumme. Anders formuliert: Ist die geänderte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Insolvenzrecht auf das Pflichtteilsrecht übertragbar? Der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln ist nach der Geschäftsverteilung nicht nur für das Erbrecht zuständig, sondern auch für das Insolvenzrecht, und von daher prädestiniert, dem Vergleich zwischen beiden Rechtsgebieten näherzutreten.

Der vorstehende Hinweisbeschluss ist im Rahmen einer Stufenklage in der Auskunftsstufe ergangen. In erster Instanz hatte die Beklagte den geltend gemachten Auskunftsanspruch weitgehend anerkannt. Sie war allerdings nicht bereit, als Miterbin Auskunft über die ihrer Person außerhalb des Nachlasses zugeflossenen Lebensversicherungssummen zu erteilen. Das Landgericht Köln lehnte einen entsprechenden Auskunftsanspruch mit der Begründung ab, dass die Lebensversicherungssumme nicht Gegenstand der Zuwendung sei. Zuwendungsgegenstand seien die vom Erblasser gezahlten Prämien. Hierauf beschränke sich auch die Auskunftspflicht (LG Köln, Teil-Anerkenntnisurteil und Teilurteil vom 18. Dezember 2007 – 16 O 571/06, ZErb 2008, 31 mit kritischer Anmerkung des Verfassers).

In der mündlichen Verhandlung ließ der Senat zwar deutlich erkennen, dass er den mit der Berufung weiter verfolgten Anspruch auf Auskunft über die ausgezahlten Versicherungssummen für begründet halte, er meldete jedoch Zweifel dahingehend an, dass die insolvenzrechtliche Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auf das Pflichtteilsrecht übertragbar sei. Der Senat neige dazu, sich hier dem Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 13. Dezember 2007 – 19 U 140/07 (ZErb 2008, 57 = ErbR 2008, 89 = ZEV 2008, 145 mit unkritischer Anmerkung von Blum) anzuschließen.

Der weitergehende Auskunftsanspruch (Auskunft über die Versicherungssummen) wurde schließlich von der Beklagten anerkannt (OLG Köln, Anerkenntnisurteil vom 30. April 2008 – 2 U 13/08).

Mit dem Oberlandesgericht Stuttgart aaO stört sich das Oberlandesgericht Köln an der mehr wirtschaftlichen als rechtlichen Wertung des Bundesgerichtshofs im Insolvenzrecht. Das Oberlandesgericht Stuttgart sieht im Hinblick auf die neue Entscheidung des Bundesgerichtshofs im Insolvenzrecht (Urteil vom 23. Oktober 2003 – IX ZR 252/01, BGHZ 156, 350 = NJW 2004, 214) einen maßgeblichen Unterschied darin, dass im Insolvenzrecht auf die Bereicherung des Dritten abzustellen sei, während es im Pflichtteilsrecht auf die Entreicherung des Erblassers ankomme. Es verwundert, dass sich die beiden Oberlandesgerichte bei der Lebensversicherung im Pflichtteilsrecht einer (auch) wirtschaftlichen Betrachtung verschließen. Dies läuft dem Schutzzweck des Pflichtteilsrechts – namentlich der Pflichtteilsergänzung gemäß § 2325 BGB – zuwider. Dem Erblasser wird ein Gestaltungsmittel an die Hand gegeben, Pflichtteilsansprüche zu reduzieren oder gar vollends zu vermeiden:

Der Erblasser müsste Vermögen lediglich rechtzeitig vor dem Erbfall in einen Lebensversicherungsvertrag einbringen. Er hätte sich dann mit der Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Stuttgart "entreichert". Er hätte (widerruflich) einen Bezugsberechtigten zu bestimmen, den er jederzeit austauschen kann. Der Erblasser könnte den Versicherungsvertrag jederzeit kündigen und den Rückkaufswert für sich beanspruchen. Der jederzeit mögliche Austausch des Bezugsberechtigten und die jederzeitige Kündigungsmöglichkeit stellten sicher, dass der Erblasser sich seines Vermögens wirtschaftlich eben noch nicht entäußert.

Aber gerade auf die wirtschaftliche Entäußerung ist im Pflichtteilsrecht abzustellen. Dementsprechend wird in Rechtsprechung und Schrifttum der Beginn der Zehnjahresfrist des § 2325 Abs. 3 BGB hinausgeschoben, wenn der Erblasser eine Immobilie beispielsweise gegen Vorbehalt des Nießbrauchs oder eines Wohnrechts überträgt. Hier ist die Schenkung nach einhelliger Meinung unabhängig von ihrem dinglichen Vollzug ergänzungspflichtig, weil der Erblasser zum Zeitpunkt der Schenkung noch nicht den zur Vermeidung von Missbrauch verlangten spürbaren Vermögensverlust dergestalt erlitten hat, dass er die Folgen selbst noch zehn Jahre lang zu tragen hatte (BGH NJW 1994, 1791; Edenhofer in Palandt, 67. Aufl., 2008, § 2325 Rn 22; kürzlich zum Fristbeginn beim Wohnrecht: OLG Karlsruhe ZErb 2008, 164 = ZEV 2008, 244).

Die vom Oberlandesgericht Stuttgart zitierte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Pflichtteilsrecht (s. hier nur FamRZ 1976, 616 mit ablehnender Anmerkung von Harder) dürfte überholt sein. Die Urteile des Erbrechtssenats sind – abgesehen davon, dass der Bundesgerichtshof kurz und knapp die Rechtsprechung des Reichsgerichts übernommen hat (Elfring ZEV 2004, 305, 309; Kuhn/Rohlfing ErbR 2006, 11, 14 f) – älteren Datums. Nach der vorliegenden BGH-Rechtsprechun...

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