Nach § 12 Abs. 3 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) i.V.m. den §§ 151 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, 157 Abs. 1, Abs. 3 S. 1 Bewertungsgesetz (BewG) sind, wie sicher bekannt, für die Erbschaftsteuer ab 1.1.2009 die Grundbesitzwerte gesondert festzustellen und für die wirtschaftlichen Einheiten des Grundvermögens unter Anwendung der §§ 159 und 176-198 BewG zu ermitteln.

Der Grundbesitzwert ist also kein feststehender, bekannter Wert, sondern ein Wert, der erst bei Bedarf, nämlich nur dann und erst dann, wenn er für die Schenkungsteuer oder Erbschaftsteuer von Bedeutung ist, durch das Lagefinanzamt festgestellt werden muss.

Das macht es für den Steuerpflichtigen und den Berater schwierig, die auf der Basis des Grundsteuerwerts festzusetzende Schenkungsteuer oder Erbschaftsteuer der Höhe nach im Vorfeld genau einzuschätzen bzw. zu kalkulieren.

Die Entscheidungen des BVerfG zur Verfassungswidrigkeit der bisherigen Einheitsbewertung vom 10.4.2018[2] haben es notwendig werden lassen, die Bemessungsgrundlage für die Grundsteuer auf neue Beine zu stellen. Rechtsgrundlagen sind das Gesetz zur Reform des Grundsteuer- und Bewertungsrechts (Grundsteuer-Reformgesetz – GrStRefG) vom 26.11.2019[3] sowie das Gesetz zur erleichterten Umsetzung der Reform der Grundsteuer und Änderung weiterer steuerrechtlicher Vorschriften (Grundsteuerreform-Umsetzungsgesetz – GrStStRefUG) vom 16.7.2021.[4]

Deshalb erfolgt erstmals auf den 1.1.2022 eine Feststellung von Grundsteuerwerten für alle Grundstücke (§§ 221 ff. BewG). Die Länder gehen dabei unter Anwendung der in Art. 72 Abs. 3 S. 1 Nr. 7 GG bestehenden Öffnungsklausel nicht einheitlich vor. Ich beschränke mich bei meinen Ausführungen auf die Länder, in denen das "Bundesmodell" gilt.[5]

Dieser Aufsatz befasst sich mit der Frage, ob nicht zukünftig der auf den 1.1.2022 festzustellende und dann spätestens alle sieben Jahre zu aktualisierende Grundsteuerwert statt des bisherigen, (mühsam und teils aufwändig) bei Bedarf festzustellenden Grundbesitzwerts auch als Bemessungsgrundlage für die Schenkungsteuer oder Erbschaftsteuer gelten könnte oder zumindest als Anhaltspunkt zur Kalkulation der Schenkungsteuer oder Erbschaftsteuer dienen könne.

Wenn das möglich wäre, könnte man die steuerliche Auswirkung einer geplanten Grundstücksschenkung im Voraus kalkulieren und bei Übernahme der Grundsteuerwerte als Bemessungsgrundlage für die Schenkungsteuer/Erbschaftsteuer den Steuerpflichtigen, den Beratern und den Lagefinanzämtern Arbeit ersparen.

Wenn es so käme, würde man im Übrigen fast wieder zu den von mir in der ZErb 2016, 106 zitierten "guten alten Zeiten" zurückkehren, als nämlich ganz einfach 140 % des Einheitswerts als Bemessungsgrundlage für die Erbschaftsteuer und Schenkungsteuer anzusetzen waren.

Um auf die von mir aufgeworfene Frage eine Antwort zu finden, möchte ich im Folgenden den Grundbesitzwert nach §§ 157 ff. BewG und den Grundsteuerwert nach §§ 221 ff. BewG auf den 1.1.2022 für ein und dasselbe konkret existierende[6] bebaute Grundstück berechnen und dann die Ergebnisse vergleichen.

Dazu werde ich den Grundsteuerwert auf den ersten Hauptfeststellungszeitpunkt, d.h. den 1.1.2022, ermitteln und bei der’Ermittlung des Grundbesitzwerts unterstellen, dass der 1.1.2022 der Stichtag für die Bewertung nach § 11 ErbStG (Erbschaftsteuergesetz) ist.

Selbst diejenigen Leser, die sich nicht für meine Fragestellung interessieren, können von der Lektüre profitieren, denn es wird nachstehend sowohl das Schema der Bedarfsbewertung dargestellt als auch ein zum Teil kritischer Einblick in die Feststellung der Grundsteuerwerte gegeben.

Auch wenn die Ermittlung und Berechnung von Grundsteuerwerten vielleicht beruflich nicht relevant sein sollte, so tangiert der Grundsteuerwert als ab 1.1.2025 maßgebliche Bemessungsgrundlage doch jeden von uns privat, sei es nun als Eigentümer oder aber über den "Umweg" der Umlegung der Grundsteuer als Nebenkosten im Mietvertrag als Mieter.

Damit ich bei meiner Betrachtung nicht die berühmten "Äpfel mit Birnen" vergleiche, soll es sich jeweils um ein- und dasselbe, mit einem Einfamilienreihenendhaus und mit einer freistehenden Garage auf demselben Grundstück bebaute Grundstück im Bremer Westen handeln.

Alle Leser, die keine Immobilie in Bremen zu bewerten haben, brauchen an dieser Stelle das Heft nicht beiseitezulegen, denn das, was ich zur Bedarfsbewertung schreibe, gilt für Immobilien in allen anderen Bundesländern sinngemäß und das, was Sie zur Feststellung des Grundsteuerwerts erfahren, gilt ebenso in allen anderen Bundesländern, in denen das "Bundesmodell" angewandt wird (s.o.).

Hier nun die Daten für das zu bewertende Objekt:

[2] 1 BvL 11/14, BVerfGE 148, 147-217.
[3] BGBl I, 1546.
[4] BGBl I, 2931.
[5] Das "Bundesmodell" gilt in Berlin, Brandenburg, Bremen, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Hollstein und Thüringen.
[6] Um hier keine Urheberrechtsverletzungen zu begehen, werde ich die richtige Adresse des Grundstüc...

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