Einem Anspruch des Erben gegen den Dritten (Ex-Ehegatten) aus § 346 Abs. 1 BGB iVm §§ 313 Abs. 1, 313 Abs. 3 Satz 1 BGB lässt sich auch nicht entgegenhalten, dass der Erblasser ein Rückforderungsrecht dadurch verwirkt habe, dass er den lebzeitigen Widerruf des Bezugsrechts unterlassen habe, und dass sich der Erbe nach § 1922 Abs. 1 BGB hieran festhalten lassen müsse.[92][93]

Zwar hätte der Erblasser auf den veränderten Umstand der Scheidung reagieren können, indem er das Bezugsrecht des Ex-Ehegatten (Dritten) zu Lebzeiten widerruft und dadurch den späteren Anspruchserwerb des Dritten nach den §§ 159 Abs. 2 VVG, 328 Abs. 1, 331 Abs. 1 BGB verhindert.[94] Dass der Erblasser dies unterlassen hat, genügt jedoch noch nicht für eine Verwirkung infolge Zeitablaufs:[95] Neben dem Zeitmoment, d. h. neben der Untätigkeit des Berechtigten, muss zusätzlich noch ein Vertrauens- oder Umstandsmoment gegeben sein.[96] Der Verpflichtete muss bei objektiver Beurteilung aus dem Verhalten des Berechtigten entnehmen dürfen, dass dieser sein Recht nicht mehr geltend machen werde.[97] Allein aus dem Unterlassen des Widerrufs lässt sich jedoch noch nicht mit hinreichender Sicherheit entnehmen, dass der Erblasser dem Dritten den Anspruch auf die Versicherungssumme trotz Scheidung zuwenden wollte. Es ist nämlich ebenfalls denkbar, dass der Erblasser den Widerruf des Bezugsrechts lediglich aus Nachlässigkeit vergessen hat.

[92] So aber OLG Hamm, VersR 2002, 1409, 1410, das diesen Aspekt allerdings nicht unter dem Rechtsinstitut der Verwirkung (§ 242 BGB) erörtert, sondern im Rahmen der Zumutbarkeit, mithin als Element des Wegfalls der Geschäftsgrundlage (heute § 313 Abs. 1 BGB, bei Erlass des Urteils § 242 BGB). Ähnlich argumentierten zuvor für die nichteheliche Lebensgemeinschaft BGH, NJW 1996, 2727, 2727; OLG Koblenz, VersR 1999, 830, 832.
[93] Ohne Weiteres von der Anwendbarkeit der Regeln über den Wegfall der Geschäftsgrundlage trotz widerruflichem Bezugsrecht geht der IV. Senat aus, s. BGH, NJW 1987, 3131, 3132; BGHZ 128, 125, 135: Der BGH hielt einen Ausgleichsanspruch wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage für denkbar und verwies zur Sachaufklärung an die Vorinstanz zurück. Hätte der BGH einen solchen Anspruch allein an der Widerruflichkeit des Bezugsrechts scheitern lassen, so hätte er den Fall abschließend entscheiden können und es hätte einer Rückverweisung nicht bedurft.
[94] Insoweit zutreffend BGH, NJW 1996, 2727, 2727; OLG Koblenz, VersR 1999, 830, 832; OLG Hamm, VersR 2002, 1409, 1410.
[95] Allgemein zu diesem Rechtsinstitut Bamberger/Roth/Grüneberg/Sutschet, BGB (2007), § 242, Rn 131 ff; MüKo/G. H. Roth, BGB (2007), § 242, Rn 296 f.
[96] Bamberger/Roth/Grüneberg/Sutschet, BGB (2007), § 242, Rn 141.
[97] BGHZ 25, 47, 52; Bamberger/Roth/Grüneberg/Sutschet, BGB (2007), § 242, Rn 141.

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