Seit dem Beschluss des BGH vom 24.7.2019 kann der Dauertestamentsvollstrecker auch ohne eine Anordnung nach § 2216 Abs. 2 S. 1 BGB verpflichtet sein, an den Erben Nachlasserträge auszukehren, sofern der Erbe bedürftig wird oder er nachlassbedingte Steuern zahlen muss.[1] Das obiter dictum des BGH konnte es dabei aufgrund der Streitsache auf einen Verweis auf den Beschluss des OLG Frankfurt vom 15.2.2016 und die wohl h.M. belassen.[2] Diese h.M. begründet diese Auskehrpflicht mit einem allg. mutmaßlichen Erblasserwillen hierzu.[3] Diese Begründung ist m.E. methodisch fraglich.[4] Die h.M. setzt sich u.a. nicht mit der für § 2216 BGB geltenden Verbotsnorm des § 2220 BGB auseinander. Denn § 2220 BGB enthält auch ein Umgehungsverbot und könnte der Ermittlung und Annahme eines mutmaßlichen Erblasserwillens eine zwingende gesetzliche Grenze setzen. Die Frage nach Inhalt und Reichweite des Umgehungsverbots des § 2220 BGB ist auch von grundsätzlichem Interesse: ein etwaiges Umgehungsverbot hätten die Rechtsanwender (Richter, Testamentsgestalter, Testamentsvollstrecker) zwingend zu beachten. Ob und inwieweit § 2216 Abs. 1 BGB i.V.m. § 2220 BGB ein Umgehungsverbot für die ergänzende Auslegung bei der Dauer- und Verwaltungsvollstreckung und der Frage der Erlösauskehr enthält, soll hier diskutiert werden.[5]

[2] OLG Frankfurt/Main v. 15.02.2016 – 8 W 59/15, ZEV 2016, 329. Beim BGH (Fn 1) fehlt eine nähere Begründung, weil es in der Streitsache darum ging, ob ein Behindertentestament ohne Anordnungen nach § 2216 Abs. 2 S. 1 BGB sittenwidrig ist; dazu und zur Sache i.Ü. der Verf. in ZErb 2020, 153, 199, 273.
[3] Staudinger/Reimann, BGB 2016, § 2216 BGB Rn 17 (die für 2021 angekündigte Neuaufl. der §§ 2197 ff. BGB lag ab Abschluss des Textes noch nicht vor); MünchKomm/Zimmermann, BGB, § 2209 BGB Rn 12; Bengel/Reimann/Dietz, Handbuch der Testamentsvollstreckung, 7. Aufl. 2020, § 1 Rn 150: "Die Erträgnisse des Nachlasses sind dann dem Erben auszuhändigen, wenn dies dem Willen des Erblassers entspricht oder sich aus den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung ergibt." Bzgl. des mutmaßlichen Erblasserwillens beruft man sich dabei m.E. zu Unrecht auf die Beschlüsse des BGH vom 4.11.1987 und 14.5.1986 (s.u. unter VII.2.). Andere unterstellen zutreffend die Entscheidung über die Herausgabe der Erlöse grundsätzlich allein dem Maßstab der ordnungsgemäßen Verwaltung, sofern eine Erblasseranordnung hierzu fehlt, und erwähnen den mutmaßlichen Erblasserwillen nicht; Bamberger/Roth/Hau/Posseck/Lange, BGB, § 2209 BGB Rn 11; Burandt/Rojahn/Heckschen, ErbR, § 2209 BGB Rn 4.
[4] Dazu der Verf. in ZErb 2020, 153, 196, 273 auch mit einem eigenen Vorschlag. Auch die Bezahlung von nachlassbedingten Ertragssteuern des Erben aus Nachlassmitteln ist rechtlich nicht einfach zu begründen, der Testamentsvollstrecker muss hier aufpassen. Ein Teil des Schrifttums geht m.E. zu Unrecht davon aus, dass der Nachlass die Erbenertragssteuern für Nachlasserträge grundsätzlich übernehmen muss; Bamberger/Roth/Hau/Posseck/Lange, BGB, § 2203 BGB Rn 13; NK/Kroiß (noch 5. Aufl. 2018), vor § 2197 BGB Rn 28, § 2209 BGB Rn 10, § 2216 BGB Rn 11; MünchKomm/Zimmermann, BGB, § 2209 BGB Rn 11. Diese Auffassung zur Bezahlung der Ertragssteuern dürfte auf Zimmermann zurückgehen aufgrund seiner m.E. unzutreffenden grundsätzlichen Auffassung zur Auskehrpflicht; dazu der Verf. in ZErb 2020, 158 zur Grundsatzfrage und in ZErb 2020, 281 f. m.w.Nachw. zur steuerrechtlichen Frage.
[5] Das Umgehungsverbot des § 2220 BGB ist norm- und einzelfallbezogen zu betrachten und entscheiden. Dazu detailiert Zimmermann, ZEV 2021, 141 (Teil 1), vor allem 144 ff., und 222 ff. (Teil 2).

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