Entscheidungsstichwort (Thema)

Gleichbehandlung der Erben durch einen Testamentsvollstrecker

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein Testamentsvollstrecker ist außerhalb des Anwendungsbereiches des § 2338 Abs. 1 Satz 2 BGB grundsätzlich befugt, Erträge zu thesaurieren. Allerdings sind Nutzungen dann herauszugeben, soweit dies zur Bestreitung des angemessenen Unterhalts des oder der Erben sowie zur Begleichung fälliger Steuerschulden (Erbschaftssteuer) erforderlich ist. Wenn die Einkünfte des Nachlasses dazu ausreichen, hat der Testamentsvollstrecker dem oder den Erben aus die zur Erfüllung gesetzlicher Unterhaltspflichten notwenigen Mittel zu gewähren.

2. Zu den Grenzen der Gleichbehandlung der Erben durch einen Testamtensvollstrecker.

 

Normenkette

BGB §§ 2, 2209, 2216 Abs. 1, § 2338 Abs. 1 S. 2; ZPO § 114

 

Verfahrensgang

LG Gießen (Beschluss vom 06.08.2015; Aktenzeichen 3 O 84/15)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss der 3. Zivilkammer des LG Gießen (3 O 84/15) vom 6.8.2015 in Verbindung mit dem Nichtabhilfebeschluss vom 8.10.2015 wird zurückgewiesen.

Die Antragsteller haben die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Außergerichtliche Kosten der Parteien im Beschwerdeverfahren werden nicht erstattet.

 

Gründe

I. Die Antragsteller begehren Prozesskostenhilfe für eine Klage gegen die Antragsgegnerin als Testamentsvollstreckerin über den Nachlass des am ... Oktober 2011 verstorbenen A.

Die minderjährigen Antragsteller sind die Kinder des A (im Folgenden: des Erblassers) aus dessen Ehe mit der Kindesmutter.

Mit notariellem Testament vom ... Oktober 2011 hat der Erblasser die Antragsteller zu je 2/10 als Erben eingesetzt (Ziff. 1 des Testaments). Weitere Erben sind ein weiterer - bereits volljähriger - Sohn des Erblassers, Kind1 (3/10), sowie die Kindesmutter (3/10). Außerdem hat der Erblasser einige Vermächtnisse ausgesetzt (Ziff. 2 bis 4 des Testaments). Schließlich hat der Erblasser Testamentsvollstreckung angeordnet und seine Schwägerin - die Antragsgegnerin - zur Testamentsvollstreckerin bestimmt (Ziff. 6 des Testaments). Diese hat das Amt der Testamentsvollstreckerin angenommen. Wegen der weiteren Einzelheiten des notariellen Testaments wird auf die zur Akte gereichte Kopie Bezug genommen (Bl. 4 ff. d.A.).

Zum Nachlass gehören einige Immobilien in Stadt1, die derzeit Mieterträge in Höhe von EUR 2.000,00 pro Monat abwerfen. Zunächst kehrte die Antragsgegnerin als Testamentsvollstreckerin davon an die Kindesmutter monatlich EUR 600,00, an den weiteren Erben Kind1 ebenfalls EUR 600,00 und an die beiden Antragsteller jeweils EUR 400,00 aus. Die Auszahlung dieser jeweils EUR 400,00 erfolgte dabei an die Kindesmutter, die das alleinige Sorgerecht in Bezug auf beide Antragsteller innehat.

Diese Auszahlung der jeweils EUR 400,00 stellte die Antragsgegnerin mit Wirkung ab dem 1.4.2014 mit der Begründung ein, dass die Kindesmutter die entsprechenden Beträge nicht für die Antragsteller anspare, sondern vielmehr für eigene Zwecke verschwende. Demgegenüber kehrt die Antragsgegnerin an die Kindesmutter und an den weiteren Erben Kind1 nach wie vor jeweils EUR 600,00 pro Monat aus.

Mit der beabsichtigten Klage begehren die Antragsteller - gesetzlich vertreten durch die Kindesmutter - die Auszahlung der monatlichen Mietanteile für den Zeitraum von April bis einschließlich November 2014, insgesamt also einen Betrag von jeweils EUR 3.200,00.

Die Antragsteller sind der Ansicht, es sei nicht Aufgabe der Antragsgegnerin, die wirtschaftlichen Belange der Antragsteller zu regeln. Außerdem könne es nicht angehen, dass die Antragsgegnerin weiterhin Mieterträge an die Kindesmutter und an den weiteren Erben Kind1, nicht aber an die Antragsteller auskehre.

Die Antragsteller haben vor diesem Hintergrund für die folgenden Klageanträge die Bewilligung von Prozesskostenhilfe beantragt:

1. die Antragsgegnerin zu verurteilen, an den Antragsteller zu 1 "einen Betrag in Höhe von EUR 3.200,00 nebst fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit" zu zahlen, und

2. die Antragsgegnerin zu verurteilen, an die Antragstellerin zu 2 "einen Betrag in Höhe von EUR 3.200,00 nebst fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit" zu zahlen.

Die Antragsgegnerin hat beantragt, den Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe zurückzuweisen.

Die Antragsgegnerin behauptet, sie lege seit April 2014 für beide Antragsteller die Mieterträge in Höhe von je EUR 400,00 pro Monat mündelsicher auf die Tagesgeldkonten mit den Nr ... und ... bei der Sparkasse ... an.

Mit Beschluss vom 6.8.2015 (Bl. 88 f. d.A.) hat die 3. Zivilkammer des LG Gießen den Antrag der Antragstellerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zurückgewiesen. Zur Begründung hat das LG auf die Gründe eines Hinweisbeschlusses vom 2.7.2015 (Bl. 85 f. d.A.) Bezug genommen.

Gegen diesen dem Bevollmächtigten der Antragsteller am 14.8.2015 zugegangenen Beschluss haben diese mit Anwaltsschriftsatz vom 10.9.2015 sofortige Beschwerde eingelegt. Mit ihrer sofortigen Besch...

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