Der Wohnvorteil eines Unterhaltspflichtigen ist unterhaltsrechtlich dem Einkommen hinzuzurechnen und nicht lediglich im Rahmen der vom Selbstbehalt umfassten Wohnkosten zu berücksichtigen.[7] In die Bemessung des Wohnvorteils können neben der angemessenen Wohnfläche auch Pkw-Stellplätze in einer Tiefgarage und weitere Nutzflächen einbezogen werden.

Bei der Inanspruchnahme auf Elternunterhalt war der Wohnwert eines Eigenheims bisher als zusätzliches Einkommen des unterhaltspflichtigen Kindes mit dem sog. subjektiven Wohnwert[8] bestimmt worden. Das ist der auf der Grundlage des unter den gegebenen Verhältnissen ersparte Mietzins.[9]

Soweit bei einer Gegenüberstellung der ersparten Wohnkosten und der zu berücksichtigenden Belastungen der Nutzungswert eines Eigenheims den Aufwand überstieg, war die Differenz zwischen den beiden Beträgen dem Einkommen des Unterhaltspflichtigen hinzuzurechnen.[10]

Ob diese unterhaltsrechtlichen Grundsätze auch zukünftig gelten sollen, hat der Gesetzgeber nicht geprüft und erst recht nicht geregelt.

 

Fall 1

Die unterhaltspflichtige Tochter T hat – ohne oder mit Ehemann – ein Bruttoeinkommen von 100.000 EUR und eine selbstbewohnte bezahlte Immobilie, für die sie nur Verbrauchskosten bezahlen muss. Der angemessene Wohnwert beträgt 750 EUR.

Die Tochter T wird nach jetzigem Stand der Dinge nach Maßgabe des Angehörigenentlastungsgesetzes nicht in Anspruch genommen, obwohl sie unterhaltsrechtlich mehr als 100.000 EUR pro anno zur Verfügung hat, weil der Wohnwert für die selbstbewohnte Immobilie nicht zum Gesamteinkommen im Sinne des SGB IV zählt, auch wenn sich unterhaltsrechtlich ohne Weiteres ein Unterhaltsanspruch ergeben könnte. Anders ist es nur, wenn die Immobilie nicht selbstbewohnt ist und Einkünfte aus Vermietung die Summe der Einkünfte über 100.000 EUR treibt.

 

Fall 2

Die Tochter T hat ein Bruttoeinkommen von 102.000 EUR und eine bezahlte Immobilie, für die sie nur Verbrauchskosten bezahlen muss. Der angemessene Wohnwert beträgt 750 EUR.

Unterhaltsrechtlich müssen nach altem bzw. bisher geltendem Muster im Fall 2 das Nettoeinkommen aus Erwerbstätigkeit und der Wohnwert zugrunde gelegt und aus beiden Einkunftsquellen der Unterhaltsanspruch nach §§ 1601 ff. BGB ermittelt werden. Ein Kind, das über 100.000 EUR ohne Wohnwert verdient, hat möglicherweise eine Chance, keinen Elternunterhalt zahlen zu müssen, weil die Selbstbehalte soweit angehoben werden müssen, dass keine Leistungsfähigkeit mehr verbleibt. Ein Kind, das über 100.000 EUR zzgl. Wohnwert erzielt, wird von den Überlegungen zur Erhöhung der Selbstbehalte nicht entsprechend partizipieren. Das ist eine nicht zu rechtfertigende Ungleichbehandlung gegenüber dem Kind, das nur bis zu 100.000 EUR verdient, denn auf den Wohnwert kommt es für dieses Kind nicht an. Hier offenbart sich erneut, dass die Ungleichbehandlung im Elternunterhalt dem Grunde nach nur als verfassungswidrig angesehen werden kann.

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