Leitsatz

1. An den Nachweis der formgerechten Errichtung und des Inhalts eines nicht auffindbaren Testaments sind strenge Anforderungen zu stellen.

2. Das Beweisangebot von Zeugen, die das Testament nicht gesehen haben, reicht in der Regel nicht aus.

OLG München, Beschluss vom 22. April 2010 – 31 Wx 011/10 t

Sachverhalt

Der am xxx im Alter von 80 Jahren verstorbene Erblasser war deutscher Staatsangehöriger. Die ersten beiden Ehen des Erblassers wurden geschieden. Seine dritte Ehefrau ist am xxx 1998 vorverstorben. Aus der dritten Ehe gingen die Beteiligten zu 1 und zu 2 hervor. Weitere Kinder hatte der Erblasser nicht.

Mit seiner dritten Ehefrau schloss der Erblasser am 18.9.1985 einen Erbvertrag, in dem sich die Eheleute gegenseitig zu Alleinerben und den Beteiligten zu 1 zum Schlusserben einsetzten. Der überlebende Ehegatte sollte zur Änderung der Schlusserbeneinsetzung befugt sein.

Mit handschriftlichem Testament vom 6.5.1998 verfügte der Erblasser, dass der Beteiligte zu 1 die Doppelhaushälfte in P. und die Beteiligte zu 2 ein Appartement auf den Kanarischen Inseln erhalten soll. Das Ferienhaus in Bardolino/Italien sollten die Beteiligten zu 1 und 2 je zur Hälfte erhalten.

Mit handschriftlichem Testament vom 2.11.2005 verfügte der Erblasser nochmals, dass die Beteiligten zu 1 und 2 das Anwesen in Bardolino je zur Hälfte erhalten sollen. Das Appartement auf den Kanarischen Inseln wurde 1998 veräußert. Den Verkaufserlös erhielt die Beteiligte zu 2. Ein Miteigentumsanteil der Doppelhaushälfte in P. von xxx wurde 1994 schenkweise auf den Beteiligten zu 1 übertragen. Der Wert des sich noch im Nachlass befindlichen xxx-Miteigentumsanteil der Immobilie in P. wird von den Beteiligten übereinstimmend mit 325.000 EUR und der Wert der Immobilie in Bardolino mit 850.000 EUR angegeben. Des Weiteren sind noch Bank- und Versicherungsguthaben in Höhe von ca. 23.000 EUR vorhanden, denen Beerdigungskosten von ca. 10.300 EUR gegenüberstehen.

Der Beteiligte zu 1 beantragte am 16.9.2009 unter Bezugnahme auf das Schreiben seines Verfahrensbevollmächtigten vom 31.8.2009, eingegangen beim Nachlassgericht am 1.9.2009, die Erteilung eines Erbscheins, welcher ihn als Alleinerben ausweist. (...) Mit Beschluss vom 27.11.2009 bewilligte das Nachlassgericht den vom Beteiligten zu 1 beantragten Erbschein und setzte die sofortige Wirksamkeit des Beschlusses aus. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Beteiligten zu 2. (...)

Aus den Gründen

Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet.

Die Erbfolge nach dem Erblasser bestimmt sich nach den Testamenten des Erblassers vom 6.5.1998 und 2.11.2005. Danach sind – unter Zugrundelegung des Wertes der den Beteiligten zugewandten Immobilien – der Beteiligte zu 1 Miterbe zu 63,83/100 und die Beteiligte zu 2 Miterbin zu 36,17/100.

Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin ist das nach ihrem Vortrag errichtete, jedoch nicht auffindbare Testament des Erblassers für die Bestimmung der Erbquoten nicht heranzuziehen. Auch der erkennende Senat ist nicht mit hinreichender Sicherheit davon überzeugt, dass der Erblasser nach dem 2.11.2005 noch ein weiteres Testament errichtet hat.

1. Gemäß § 2355, § 2356 Abs. 1 Satz 1 BGB ist zum Nachweis eines testamentarischen Erbrechts grundsätzlich die Urschrift der Urkunde vorzulegen, auf die das Erbrecht gestützt wird (vgl. Palandt/Edenhofer BGB, 69. Aufl., § 2356 Rn 9). Ist diese Urkunde nicht auffindbar, kommt der allgemein anerkannte Grundsatz zum Tragen, dass es die Wirksamkeit eines Testaments nicht berührt, wenn die Urkunde ohne Willen und Zutun des Erblassers vernichtet worden, verloren gegangen oder sonst nicht auffindbar ist (BayObLG FamRZ 1986, 1043/1044; FamRZ 1990, 1162/1163; 2005, 138/139). In einem solchen Fall können Errichtung und Inhalt des Testaments mit allen zulässigen Beweismitteln bewiesen werden (BayObLG aaO). An den Nachweis sind strenge Anforderungen zu stellen (BayObLG FamRZ 1990, 1162/1163; FamRZ 2001, 771/772; OLG Zweibrücken FamRZ 2001, 1313/1314; Palandt/Edenhofer § 2255 Rn 9).

Grundlage dieser hohen Beweisanforderungen ist die für die Errichtung eines Testaments gemäß den §§ 2231 ff BGB geltende Formstrenge. Durch die Formvorschriften für die Testamentserrichtung verfolgt das Gesetz verschiedene Zwecke: Die einzuhaltenden Förmlichkeiten sollen den Erblasser dazu veranlassen, sich selbst klar darüber zu werden, welchen Inhalt seine Verfügung von Todes wegen haben soll, und seinen Willen möglichst deutlich zum Ausdruck zu bringen. Sie sollen außerdem dazu dienen, Vorüberlegungen und Entwürfe von der maßgebenden Verfügung exakt abzugrenzen.

Die Eigenhändigkeit eines Testaments soll nach der Wertung des Gesetzes außerdem eine erhöhte Sicherheit vor Verfälschungen des Erblasserwillens bieten. Alle diese Formzwecke sollen in ihrer Gesamtheit dazu beitragen, verantwortliches Testieren zu fördern und Streitigkeiten der Erbprätendenten über den Inhalt letztwilliger Verfügungen hintan zu halten (BGHZ 80, 242/246 = FamRZ 1981, 662; BayObLG FamRZ 2001, 771/772).

2. Unter Zugrundelegung die...

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