Gem. § 2227 BGB kann das Nachlassgericht den Testamentsvollstrecker auf Antrag entlassen, wenn ein wichtiger Grund vorliegt. Ein wichtiger Grund ist nach § 2227 Hs. 2 BGB insbesondere die grobe Pflichtverletzung oder die Unfähigkeit zur ordnungsmäßigen Geschäftsführung.[4] Mit dem Erfordernis eines wichtigen Grundes knüpft § 2227 BGB an ein Merkmal an, das der Gesetzgeber regelmäßig als Voraussetzung für die Beendigung einer auf Dauer angelegten Rechtsbeziehung vorsieht, so bspw. bei der außerordentlichen Kündigung eines Dienst- oder Arbeitsverhältnisses (§ 626 BGB), der Entlassung des Insolvenzverwalters (§ 59 InsO), der Abberufung des Vorstandsmitglieds einer Aktiengesellschaft durch den Aufsichtsrat (§ 84 AktG), der Ausschließung des Gesellschafters einer Personenhandelsgesellschaft nach §§ 133 Abs. 1, 140 Abs.1 HGB sowie bei der im Allgemeinen Teil des Schuldrechts verorteten außerordentlichen Kündigung nach § 314 Abs. 1 BGB. Da diese z.T. deutlich praxisrelevanteren Beendigungstatbestände in Rechtsprechung und Literatur intensiv erschlossen sind, bieten sich insoweit Vergleichsbetrachtungen an.[5] Eine kohärente Dogmatik sollte darüber hinaus auch aus Gründen der Normenklarheit und der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung erfolgen. Soweit der Gesetzgeber auch in anderen Bereichen an das Merkmal eines wichtigen Grundes anknüpft, ist daher davon auszugehen, dass eine einheitliche Auslegung dem objektiven Willen des Gesetzgebers entspricht, soweit nicht im Einzelfall sachliche Gründe zu einer Differenzierung führen.

Wie die meisten anderen Beendigungstatbestände auch wird die Entlassung nach § 2227 BGB üblicherweise zweistufig geprüft: Es bedarf zunächst eines wichtigen Grundes "an sich", der grundsätzlich geeignet ist, den Testamentsvollstrecker aus seinem Amt zu entlassen. Liegt ein solcher vor, bedarf es der weiteren Prüfung, ob die Entlassung des Testamentsvollstreckers aus dem Amt unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen sämtlicher Beteiligten und des Nachlasses erforderlich ist (negative Fortführungsprognose).[6] Dieses Erfordernis einer negativen Fortführungsprognose lässt sich aus dem Wort "kann" ableiten, das ein gerichtliches Ermessen begründet[7] und damit Raum für eine Verhältnismäßigkeitsprüfung bietet.[8]

[4] Zu den Kriterien der Rechtsprechung, wann ein die Entlassung rechtfertigender Grund angenommen werden kann, s. zusammenfassend Muscheler, AcP 197 (1997), 226 ff.
[5] Ähnlich Grigoleit, AktG, 2. Aufl. 2020, § 84 Rn 41.
[6] BayObLG FamRZ 1986, 104, 106; FamRZ 1997, 905, 907. Zur zweistufigen Prüfung i.R.d. 626 BGB vgl. BAG NZA 1985, 91, 92; NZA 2006, 977, 978; NZA-RR 2010, 516, 517; NZA 2010, 1227, 1229; NZA 2016, 1527, 1528. Die Zweistufigkeit der Prüfung trägt auch hier der mittelbaren Drittwirkung der Grundrechte Rechnung.
[7] BayObLG FamRZ 2000, 1055; OLG Köln NJW-RR 2005, 94; OLG Düsseldorf ErbR 2017, 271, 273; OLG Naumburg ZEV 2021, 385. BeckOGK/Tolksdorf, Stand: 1.10.2022, § 2227 Rn 39 f.; Lange, Erbrecht, 3. Aufl. 2022, § 63 Rn 64; induktiv: ders., ErbR 2023, 2, 3 f.; Staudinger-BGB/Dutta, § 2227 Rn 37; a.A. Muscheler, AcP 197 (1997), 226, 249 ff.; ders., ZEV 2009, 317, 319.
[8] BVerfGE 7, 198, 205 f. – Lüth.

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