Eine kritische Betrachtung des § 2301 BGB

Isabel Meyer

2022

261 Seiten, 74 EUR

Nomos Verlag, ISBN 978-3-7560-0416-4

Es handelt sich bei der Abhandlung "Die Übertragung von Vermögen anlässlich des Todes außerhalb des Erbrechts durch Schenkung" um die Dissertation der Verfasserin an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität zu Köln.

Die Arbeit befasst sich mit dem anspruchsvollen Thema der Schenkungen in Todesnähe, stellt eine systematische Aufarbeitung des Komplexes vor und kommt zu dem Schluss, dass der § 2301 BGB reformbedürftig ist. Deshalb schließt die Arbeit mit bemerkenswerten Vorschlägen zur Neufassung des § 2301 BGB.

Neben dem wissenschaftlichen Anspruch des Werks bedient es auch die für den Rechtsanwender in der Praxis wichtige Funktion einer intensiven Auseinandersetzung mit der aktuell widersprüchlichen Rechtslage im Einzugsgebiet des § 2301 BGB.

Immer wieder hat es der Praktiker in den erbrechtlichen Mandanten mit dieser Problematik zu tun. Ausgewählte Konstellationen sind u.a., dass der Erblasser auf dem Sterbebett seiner mit Bankvollmacht ausgestatteten Tochter aufgetragen hat, für die ihn umsorgende Nachbarin einen Geldbetrag zu holen und dieser in seinem Namen zu schenken. Oder aber, wie es sich mit den Bezugsrechten bei den Versicherungen verhält, die um den Nachlass "drum herumlaufen", wie von den Versicherern häufig propagiert wird? Kann der Erbe den Geldabfluss noch verhindern? Was ist mit den Ansprüchen der Gläubiger, insbesondere des Pflichtteilsberechtigten, wenn der Nachlass infolge derartiger Zuwendungen ausgehöhlt wird?

Welchen Weg der § 2301 BGB einschlägt, ist immer von der Frage abhängig, ob das Schenkungsversprechen, das unter der Bedingung erteilt wird, dass der Beschenkte den Schenker überlebt, vollzogen wurde oder nicht.

Fehlt der lebzeitige Vollzug, ist das Schenkungsversprechen den Formerfordernissen für letztwillige Verfügungen unterworfen. Im Fall des Vollzugs zu Lebzeiten kommen die allgemeinen Schenkungsvorschriften zur Anwendung.

In der berühmten Bonifatius-Entscheidung des RG vom 28.10.1913 wurde § 2301 BGB zu Unrecht bemüht und der Vollzug abgelehnt, weil der todkranke Pfarrer seine Wertpapiere einem Pfarrkuraten mit der Bitte übergab, diese "gelegentlich" dem Weihbischof als Vertreter des begünstigten Bonifatius Vereins auszuhändigen. Damit hatte der Pfarrer zu Lebzeiten nicht alles Erforderliche für den zeitnahen Vollzug unternommen. Die Wertpapiere wurden erst nach dem Tod des Pfarrers übergeben.

Richtigerweise ist auf diese Fallkonstellationen der § 516 BGB anzuwenden.

Die Rechtsprechung des BGH konkretisiert die Voraussetzungen des Vollzugs bei § 2301 BGB teilweise damit, dass der Schenker dem Beschenkten ein Erwerbs- bzw. Anwartschaftsrecht verschafft haben muss. Dabei wird auf die lebzeitige Vornahme der Leistungshandlung durch den Schenker abgestellt, nicht jedoch auf den lebzeitigen Eintritt des Leistungserfolgs. Neben der Orientierung an objektiven Kriterien muss stets auch der subjektive Wille des Schenkers beachtet werden. In Zweifelsfällen greift der BGH auf § 2084 BGB zurück.

Am Beispiel der schwerkranken A, die ihrer Freundin B telefonisch mitteilt, dass diese ihren wertvollen Schmuck haben soll, wenn B sie überlebt, und im Nachgang zu dem Telefonat den Brief mit dem aufschiebend bedingten Übereignungsangebot des Schmucks samt dem Schmuck der Botin C übergibt, macht die Verfasserin die rechtliche Problematik deutlich und erklärt die von ihr ausgemachten Stellschrauben. Dabei kommt es für den Bestand der Zuwendung weniger auf den Eintritt des Leistungserfolgs zu Lebzeiten an als vielmehr, ob auf Seiten des Schenkers schon zu Lebzeiten ein Vermögensopfer in gewisser Verfestigung vorliegt.

Besonderheiten ergeben sich, wenn es im Grunde um einen Vertrag zugunsten Dritter §§ 328, 331 BGB auf den Todesfall geht. Typische Fälle von Verträgen zugunsten Dritter auf den Todesfall sind die Einsetzung eines Bezugsberechtigten in einem Lebensversicherungsvertrag oder auch die Vereinbarung mit der Bank des Erblassers, nach dem Ableben an eine bestimmte Person einen definierten Geldbetrag auszuzahlen. Die Form des § 2301 BGB ist im Valutaverhältnis zwischen dem Versprechensempfänger und dem forderungsberechtigten Dritten nach ständiger Rechtsprechung nicht einzuhalten. Die Heilung der an sich formbedürftigen Schenkung tritt mit dem Vollzug ein, in dem Augenblick des Todes des Versprechensempfängers, wenn der Anspruch entsteht. Soweit noch kein Valutaverhältnis besteht, etwa weil das entsprechende Angebot auf Abschluss des Schenkungsvertrags erst nach dem Tod des Schenkers durch einen Beauftragten abgegeben wird, besteht das Risiko, dass die Erben des Schenkers das Angebot vor dem Zugang widerrufen.

Die Übertragung von Vermögen anlässlich des Todes außerhalb des Erbrechts durch Schenkung bietet zum einen den Vorteil, dass der Schenker sich lebzeitig nicht schon von seinem Vermögen trennen muss, zum anderen kann der erbrechtlich durch gemeinschaftliches Testament oder Erbv...

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