Internationales Erbrecht

EuErbVO | IntErbRVG | DurchfVO

Gierl / Köhler / Kroiß / Wilsch (Hrsg.)

Nomos Verlag, 3. Aufl. 2020, 944 Seiten, 118 EUR

ISBN 978-3-8487-4808-2

I. Erbfälle mit Auslandsberührung haben in der Praxis wachsende Bedeutung. Der europäische Gesetzgeber hat diesem Befund durch den Erlass der Europäischen Erbrechtsverordnung (EuErbVO)[1] Rechnung getragen, die seit dem 17.8.2015 in allen Mitgliedstaaten der EU mit Ausnahme von Dänemark, dem Vereinigten Königreich und Irland anzuwenden ist. Um das reibungslose Funktionieren des Binnenmarktes zu erleichtern, soll die EuErbVO die Hindernisse für den freien Verkehr von Personen ausräumen, denen die Durchsetzung ihrer Rechte im Zusammenhang mit einem Erbfall mit grenzüberschreitendem Bezug bislang Schwierigkeiten bereitet hatte.[2] Die EuErbVO hat freilich zahlreiche neue Probleme aufgeworfen und einige bekannte Streitfragen in neuem Licht erscheinen lassen. Für die Rechtspraxis bedeutete dies mangels einschlägiger höchstrichterlicher Rechtsprechung große Unsicherheit. Ziel des von Walter Gierl, Andreas Köhler, Ludwig Kroiß und Harald Wilsch im Sommer 2015 erstmals vorgelegten Werkes "Internationales Erbrecht" war daher, "einen sicheren und fundierten Weg durch die neue Rechtslage [zu] weisen" und darüber hinaus "Lösungsvorschläge für noch ungeklärte Fragen [zu] unterbreiten".[3] Der Erfolg dieses Konzepts zeigt sich nicht zuletzt daran, dass das Werk schon etwa vier Jahre später in dritter Auflage erschienen ist.

Gegenüber den Vorauflagen weist die dritte Auflage beträchtliche Veränderungen auf. Zentrale Bestandteile sind zwar weiter die von Andreas Köhler erläuterte EuErbVO (Teil 1) sowie das von Walter Gierl, Ludwig Kroiß und Harald Wilsch bearbeitete IntErbRVG (Teil 2), das zeitgleich mit dem Anwendungsbeginn der EuErbVO am 17.8.2015 in Kraft getreten ist. Große praktische Bedeutung hat auch die von Wilsch erläuterte Durchführungsverordnung (EU) Nr. 1329/2014 der Kommission vom 9.12.2014 (Teil 3), die seit der 2. Auflage von 2017 mitbehandelt wird. Die Durchführungsverordnung enthält verschiedene Bescheinigungen und Formblätter, auf die in der EuErbVO und im IntErbRVG Bezug genommen wird. In dem neu strukturierten Teil 4 erörtert Wilsch "Sonderfragen" wie das Internationale Erbrecht im RpflG, im Grundbuchverfahren und im Kostenrecht. Die auf dem Gebiet des Internationalen Erbrechts für die Bundesrepublik Deutschland gültigen, nach wie vor anwendbaren Staatsverträge werden in Teil 5 von Köhler dargestellt. Neu hinzugekommen ist der umfangreiche Teil 6 (S. 373-907), der zu 21 Staaten ausführliche Länderberichte enthält, die von verschiedenen inländischen und ausländischen Autoren mit großer Sachkunde verfasst worden sind.

II. Ein so umfangreiches Werk kann in einer kurzen Besprechung nicht in allen Einzelheiten gewürdigt werden. Vielmehr ist eine Auswahl erforderlich. Von besonderem Interesse sind dabei die Darlegungen zu den einschlägigen Urteilen des EuGH, die seit dem Erscheinen der Vorauflage ergangen sind. Hierher gehört zunächst das Urteil des EuGH vom 12.10.2017 in der Rechtssache Kubicka,[4] nach dem ein nach ausländischem Erbrecht begründetes Vindikationslegat in Deutschland als solches anzuerkennen ist. Köhler zieht hieraus den Schluss, dass eine Umdeutung ausländischer Vindikationslegate in das deutsche Damnationslegat auch bei Grundstücken und anderen Rechten, die in ein Register einzutragen sind, nicht in Betracht kommt.[5] Hieran anknüpfend legt Wilsch dar, dass § 32 Abs. 6 IntErbRVG in Widerspruch zu der Auffassung des EuGH steht und daher vom Gesetzgeber korrigiert werden sollte.[6] Die vom EuGH in der Rechtssache Mahnkopf[7] befürwortete erbrechtliche Qualifikation des pauschalisierten Zugewinnausgleichs nach § 1371 Abs. 1 BGB lehnt Köhler aus dogmatischen Gründen ab. Er erkennt aber an, dass der Streit im Anwendungsbereich der EuErbVO für die Praxis entschieden ist.[8] Im Anwendungsbereich des vorrangigen deutsch-türkischen Konsularvertrags vom 28.5.1929 könnte dagegen an der güterrechtlichen Qualifikation des § 1371 Abs. 1 BGB festgehalten werden. Köhler weist aber auf das Problem hin, dass der Konsularvertrag auf güterrechtliche Vorschriften nicht anwendbar ist, womit für § 1371 Abs. 1 BGB dann doch wieder die EuErbVO maßgeblich wäre. Aus pragmatischen Gründen sei es daher vorzugswürdig, § 1371 Abs. 1 BGB auch im Rahmen des deutsch-türkischen Konsularvertrags erbrechtlich zu qualifizieren.[9] Dass die Zuständigkeitsvorschriften der Art. 4 ff. EuErbVO nach der Entscheidung Oberle des EuGH[10] auch für die Ausstellung eines nationalen Erbscheins gelten, stößt bei Köhler auf Zustimmung. Er spricht sich des Weiteren dafür aus, den Anwendungsbereich der EuErbVO auf die Eröffnung von Verfügungen von Todes wegen nach § 348 FamFG zu erstrecken.[11] Dies erscheint im Hinblick auf die vom EuGH in der Entscheidung Oberle befürwortete weite Auslegung des Art. 4 EuErbVO konsequent.

III. Die vorstehenden Ausführungen zeigen, dass die Verfasser si...

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