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Bei der Nachfolgeplanung steht häufig zunächst die Erbschaft- und Schenkungsteuer im Mittelpunkt. Grunderwerbsteuerfolgen können aber auch angesichts der in den Bundesländern teilweise sehr hohen Grunderwerbsteuersätze (von z.B. 6,5 % in NRW) erheblich störende Auswirkungen haben. Nachfolgend werden einzelne Aspekte des Zusammentreffens der Grunderwerbsteuer mit der unentgeltlichen Vermögensnachfolge erörtert. Insbesondere die Befreiungen in Abgrenzung zur Erbschaft-/Schenkungsteuer (§ 3 Nr. 2 GrEStG) oder die weiteren Befreiungen in § 3 GrEStG aus persönlichen oder sachlichen Gründen stehen im Mittelpunkt. Sondertatbestände wie die Anteilsvereinigung (§ 1 Abs. 3 GrEStG) oder die Übertragung von mehr als 90 % der Anteile an einer Personen- oder Kapitalgesellschaft (§ 1 Abs. 2a oder b GrEStG) folgen oft anderen Wertungen; insbesondere persönliche Befreiungen sind nicht immer anwendbar.[1]

[1] Der Beitrag beruht auf einem Vortrag des Verfassers am 22.9.2023 auf dem 26. Deutschen Erbrechts-Symposium in Heidelberg.

1. Grunderwerbsteuerfreiheit von Erwerben von Todes wegen bzw. Schenkungen zu Lebzeiten im Regelfall, Grenzen im Einzelfall

a. Vermeidung der Doppelbesteuerung nach § 3 Nr. 2 GrEStG

Ziel des Gesetzgebers ist es, eine Doppelbesteuerung mit Grunderwerbsteuer auf die entgeltliche Übertragung von inländischem Grundbesitz (§ 1 Abs. 1 GrEStG) und Erbschaft-/Schenkungsteuer im Regelfall zu vermeiden. Aus diesem Grund gilt (§ 3 Nr. 2 GrEStG), dass Erwerbsvorgänge, die nach dem ErbStG steuerbar sind, grundsätzlich grunderwerbsteuerfrei sind. Dabei ist die tatsächliche Steuerpflicht nicht entscheidend, sodass auch eine unter den persönlichen Freibeträgen nach § 16 ErbStG liegende Schenkung ohne Auslösung einer Schenkungsteuer grunderwerbsteuerfrei bleibt.

b. Grenzfall Übernahme- oder Kaufrechtsvermächtnis

Dennoch sind bei der Abgrenzung beider Steuern eine Reihe von Grenzfällen zu beachten, die im Einzelfall Grunderwerbsteuer auslösen können.[2] Ein Beispielsfall ist etwa die im Einzelfall enge Grenzlinie zwischen einem ggf. nicht nach dem GrEStG evt. steuerbaren, aber schon teilentgeltlichen Übernahmevermächtnis als Erwerb von Todes wegen i.S.d. § 3 Nr. 2 GrEStG[3] und einem ggf. schwerpunktmäßig im Bereich des verhandelbaren Kaufvertragsrechts angesiedelten Kaufrechtsvermächtnis.[4] Auch eine testamentarische Vorgabe des Vermächtnisses kann hier im Einzelfall eine bloße instrumentale Bedeutung haben, sodass es auch auf den Vorrang der erblasserischen Anordnungen oder umgekehrt der Verhandlungen zwischen den späteren Vertragsparteien ankommt.

[2] Vgl. allgemein aus der Lit. Dorn/Niesmann, DStR 2022, 1988; Thonemann-Micker/Wallmichrath, ErbR 2022, 688.
[3] Zum nach §§ 13a ff. ErbStG begünstigungsfähigen Übernahmevermächtnis BFH v. 13.8.2008 – II R 7/07, BStBl II 2008, 982.
[4] Für Grunderwerbsteuerbarkeit im Einzelfall BFH v. 16.1.2019 – II R 7/16, BStBl II 2019, 617.

c. Steuerbarer Tatbestand i.S.d. ErbStG

Für § 3 Nr. 2 GrEStG muss zudem ein grundsätzlich nach dem ErbStG steuerbarer Tatbestand vorliegen, nicht etwa eine aus zivilrechtlichen Gründen (z.B. Rückforderungsrecht und deshalb erzwungene Herausgabe!) von vornherein nicht schenkungsteuerbare Übertragung.

Als Paradebeispiel für eine Steuerbarkeit soll der Fall gelten, dass ein Vater die Schenkung von Gesellschaftsbeteiligungen an seine Söhne aus anderen Steuerüberlegungen widerrief und mit einer schenkungsteuerfrei zurückerhaltenen Gesellschaftsbeteiligung (ohne Rückschenkung, weil im Anwendungsbereich des § 29 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG!) auf einer unteren Ebene aufgrund einer weiter hier von ihm unmittelbar gehaltenen Beteiligung allein durch die jetzt zurückerworbene, mittelbar gehaltene Beteiligung die grunderwerbsteuerpflichtige Anteilsvereinigung auslöste.[5] § 3 Nr. 2 GrEStG konnte mangels steuerbaren Tatbestands i.S.d. ErbStG nicht eingreifen.

Ausreichend ist aber ggf. auch, auf der ggf. einzigen Ebene der Widerruf einer Schenkung von 20 % der Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft mit Grundbesitz, wenn sich beim Schenker zurückbehaltene Anteile von z.B. 80 % damit (wieder) vereinigen, bei einer Kapitalgesellschaft ohne Anwendung des § 3 Nr. 6 GrEStG.[6]

 

Beispiel:

Eine Mutter schenkt ihrem Sohn 80 % (von ihren 100 %) der Anteile an einer grundbesitzenden Kapitalgesellschaft und behält sich für bestimmte Fälle den Widerruf vor. Der Widerruf wird z.B. fünf Jahre später nach einer versuchten ungenehmigten Veräußerung der Anteile oder alternativ auch dem Tod des Sohns geltend gemacht und die Rückforderung abgewickelt.

Bei der Mutter kommt es zu einer Anteilsvereinigung nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG (konkret erstmalige, wenn auch "eigentlich" erneute Anteilsvereinigung). Das Verwandtschaftsprivileg nach § 3 Nr. 6 GrEStG und – mangels Tatbestandsmäßigkeit der erzwungenen Rückgängigmachung für eine denkbare Steuerbarkeit nach dem ErbStG – auch das Schenkungsprivileg des § 3 Nr. 2 GrEStG scheiden aus.

Entlastend kann in dem Beispielsfall (im BFH-Entscheid vom 4.3.2020 nicht geprüft!) nur noch die Vorschrift des § 16 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG wirken, wenn danach eine nicht steuerbare Rückgängigmachung vorliegt, obwohl der vorherige Schenkungsvorgang wegen § 3 Nr. 2 GrEStG nicht grunderwerbsteuerbar war.[7]

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