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Mit dem sog. Supervermächtnis möchte man zum einen die Vorteile des sog. Berliner Testaments gewährleisten, namentlich die umfassende Nutzung des von beiden Ehegatten stammenden Vermögens durch den längerlebenden Ehegatten und dessen damit einhergehende Versorgung[1] Zum anderen kommt aber gerade bei größeren Vermögen, bei denen im ersten Erbfall der Ehegattenfreibetrag nicht nur unwesentlich überschritten wird,[2] die steuerliche Überlegung hinzu, die Erbschaftsteuerfreibeträge weiterer potenzieller Erben (insbesondere der gemeinsamen Kinder und gegebenenfalls Enkel) nicht durch deren Enterbung leerlaufen zu lassen, sondern ebenfalls (möglichst) umfassend auszuschöpfen.[3] Dabei soll auch die Kumulation des gesamten Erblasservermögens beim überlebenden Ehegatten vermieden werden, um die Nachteile der Erbschaftsteuerprogression abzumildern.[4]

[1] Langenfeld, JuS 2002, 351; Mayer, DStR 2004, 1409, 1414.
[2] Demgegenüber sieht Mayer, DStR 2004, 1409, 1414, ein Supervermächtnis und ähnliche Gestaltungen bei kleinen und mittleren Vermögen, die die Ehegattenfreibeträge nicht oder nur unwesentlich überschreiten, als "überkonstruiert" an.
[3] Bredemeyer, ZErb 2017, 343, 347; Schmidt, BWNotZ 1998, 97.
[4] Kanzleiter, in: FS Brambring, 2011, 225, 226.

A. Gestaltungsmodell des sog. Supervermächtnisses

Um diese vorgenannten Interessen miteinander zu vereinigen, wurde das Gestaltungsmodell des sog. Supervermächtnisses entwickelt,[5] welches maßgeblich auf einer Kombination einer Drittbestimmung des konkreten Vermächtnisnehmers i.S.v. § 2151 Abs. 1 BGB mit einem Zweckvermächtnis i.S.v. § 2156 BGB basiert.[6] Zusätzlich zur Gestaltung der Erbenstellung nach dem Berliner Testament wird dabei der überlebende Ehegatte zugleich als Bestimmungsberechtigter wie auch als Beschwerter eines Vermächtnisses eingesetzt, das den im ersten Erbfall enterbten Kindern als Abfindung für diese Enterbung wie auch dazu dienen soll, deren Erbschaftsteuerfreibeträge auszunutzen.[7]

Im Folgenden werden Zulässigkeit und Grenzen des Supervermächtnisses im Einzelnen beleuchtet. Dabei wird insbesondere der Frage nachgegangen, ob eine Gestaltung derart möglich ist, dass der überlebende Ehegatte entscheiden kann, ob überhaupt und in welcher Höhe (bis zur Grenze des Erbschaftsteuerfreibetrages) Zuwendungen erfolgen.

Der vorliegende Beitrag beschäftigt sich über diese Fragen des klassischen Supervermächtnisses hinaus (Abschnitt B. und C.) damit, dass die (nahezu) unbegrenzte Freiheit, die das Supervermächtnis verspricht, das Interesse der Beteiligten an einer vorhersehbaren und kalkulierbaren Nachlassplanung aus den Augen zu verlieren droht. Um sowohl den testierenden (Ehegatten-)Erblassern als auch ihren Abkömmlingen einen sicheren Hafen der Zuwendung zu bieten, wird daher die Gestaltungsalternative eines Sockelvermächtnisses mit zusätzlichem Supervermächtnis erörtert und in einem abschließenden Formulierungsvorschlag handhabbar gemacht (Abschnitt D. und E.).

[5] Grundlegend Schmidt, BWNotZ 1998, 97; Langenfeld, JuS 2002, 351; Ebeling, ZEV 2000, 87; Everts, ZErb, 2004, 373; Mayer, DStR 2004, 1409.
[6] DNotI-Report 2010, 3, 4.
[7] DNotI-Report 2010, 3, 4; Schmidt, BWNotZ 1998, 97, 101.

B. Zivilrechtliche Beurteilung des Supervermächtnisses

I. Kein Verstoß gegen § 2065 Abs. 2 BGB

§ 2065 BGB regelt die materielle Höchstpersönlichkeit letztwilliger Verfügungen und ergänzt damit die in § 2064 BGB enthaltene formelle Höchstpersönlichkeit.[8] § 2065 Abs. 2 BGB bezweckt sicherzustellen, dass die Entscheidung über das Schicksal des Nachlasses nicht von Personen getroffen wird, die sich der Verantwortung für die Verwendung dieses Vermögens gar nicht als Inhaber desselben bewusst werden konnten.[9]

Von diesem Grundsatz enthalten die §§ 2151 bis 2156 BGB weitreichende Ausnahmen. Deren Zweck und Berechtigung ergibt sich in systematischer Zusammenschau mit § 2065 Abs. 2 BGB. Sie beruhen auf der gegenüber der Erbenstellung geringeren Bedeutung des Vermächtnisses und darauf, dass kein entgegenstehendes Interesse der Nachlassgläubiger zu berücksichtigen ist, da der Vermächtnisnehmer selbst nur Nachlassgläubiger ist.[10]

Die Möglichkeiten in den §§ 2151 und 2152 BGB, den Bedachten durch einen Dritten bestimmen zu lassen, lassen sich mit den Möglichkeiten des § 2153 BGB zur Festlegung der Anteile der Vermächtnisnehmer am Vermächtnis und den §§ 2154 bis 2156 BGB kombinieren, bei denen ein Dritter den konkreten Vermächtnisgegenstand bestimmt.[11]

Schließlich kann der Bestimmungsberechtigte gemäß § 2181 BGB den Zeitpunkt der Vermächtniserfüllung bestimmen. Unter Berücksichtigung des in § 271 Abs. 2 BGB bestimmten Grundsatzes kann der Beschwerte bei einer bloßen Anordnung des § 2181 BGB das Vermächtnis zu seinen Lebzeiten erfüllen, der Vermächtnisnehmer die Erfüllung aber nicht vor dem Tod des Beschwerten verlangen.[12]

[8] Otte, in: Staudinger, Neubearb. 2013, § 2065 BGB Rn 1 f.
[9] Otte, in: Staudinger, Neubearb. 2013, § 2065 BGB Rn 2; DNotI-Report 2010, 3.
[10] Rudy, in MüKo-BGB, 7. Aufl. 2017, § 2151 Rn 2.
[11] Keim, ZEV 2016, 6, 7; Rudy, in: MüKo-BGB, 7. Aufl. 2017, § 2151 Rn 2; Schmidt, BWNotZ 1998, 97, 101; Weidlich, in: Palan...

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