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Bei Geltung deutschen Erbrechts bestimmt § 1936 S. 1 BGB das Bundesland, in dem der Erblasser zur Zeit des Erbfalls seinen letzten Wohnsitz hatte, zum gesetzlichen Zwangserben, sollte zum Zeitpunkt des Erbfalls kein Verwandter, Ehegatte oder Lebenspartner des Erblassers vorhanden oder die Erbberechtigung weggefallen sein. Entsprechende Fiskalerbschaften nehmen einen immer größeren Raum ein, in Bayern umfassten sie zuletzt mehr als 7000 Wohnhäuser.[1] Wie dagegen bei Geltung ausländischen Erbrechts für erbenlose Nachlassfälle nach dem 17.8.2015 zu verfahren ist, regelt Art. 33 EuErbVO. Die Dimensionen, die Fiskalerbschaften ausländischen Erbstatuts erreichen können, stehen noch in den Sternen. Als nationale Durchführungsvorschrift steht § 32 IntErbRVG zur Seite[2], eine Regelung, die dem Aneignungsrecht des Mitgliedsstaates, in dessen Hoheitsgebiet sich das Nachlassvermögen befindet, den Vorrang vor dem Erbstatut einräumt.[3] Allerdings fällt auf diese Durchführungsvorschrift nunmehr der Schatten der EuGH-Rechtsprechung[4] zu den Vindikationslegaten, den es im Folgenden zu vermessen gilt. Zugleich zeigen sich autonome Berichtigungswege, die in gleicher Weise darzustellen sind.

[1] Vgl. Tagesspiegel vom 31.10.2016, das bayerische Finanzministerium meldete 2016 mehr als 7. 251 Wohnhäuser.
[2] Den erbenlosen Nachlass und die unterschiedliche Herangehensweise der verschiedenen Rechtsordnungen greift bereits der 56. Erwägungsgrund der Erbrechtsverordnung auf, Erwähnung finden dort vor allem die Nachlassgläubiger, die durch das Aneignungsrecht keine Benachteiligung erfahren dürfen.
[3] BR-Drs. 644/14, S. 53; Dutta, ZEV 2015, 493, 498; Müller-Lukoschek, NotBZ 2016, 441; Wilsch, in: Gierl/Köhler/Kroiß/Wilsch, Internationales Erbrecht, 2. Aufl. 2017, Teil 2 § 3 Rn 15.

1. Aneignungsrecht und die EuGH-Rechtsprechung zu den Vindikationslegaten

1. 1 Problemsituation

Sofern das Aneignungsrecht nicht selektiv, sondern umfassend ausgeübt wird, geht mit wirksamer Ausübung des Aneignungsrechts[5] das gesamte Nachlassvermögen auf das Bundesland über, dessen Stelle das Aneignungsrecht ausgeübt hat, § 32 Abs. 4 S. 1 IntErbRVG. Zählt die Aneignungsstelle auch die von einem Vindikationslegat erfasste Immobilie zum übergegangenen Nachlassvermögen, veranlasst die Behörde die Grundbuchumschreibung auf das Bundesland, § 32 Abs. 5 S. 2 IntErbRVG, womit das Grundbuch unrichtig wird. Der Vindikationslegatar sieht sich im Aneignungs- und Umschreibungsverfahren übergangen und möchte als Eigentümer im Grundbuch eingetragen werden.

[5] Der Rechtsübergang tritt erst mit Eingang der Ausübungserklärung bei dem örtlich zuständigen Nachlassgericht ein, § 32 Abs. 4 S. 1 IntErbRVG; ein nachlassgerichtlicher Feststellungsbeschluss ist nicht erforderlich, vgl. Wilsch, in: Gierl/Köhler/Kroiß/Wilsch, Internationales Erbrecht, 2. Aufl. 2017, Teil 2 § 3 Rn 39.

1. 2 Derzeitige Lösung nach § 32 Abs. 6 IntErbRVG

Nach § 32 Abs. 6 IntErbRVG können Vermächtnisnehmer mit unmittelbarer Berechtigung an einem Nachlassgegenstand "den ihnen hieraus nach deutschem Recht erwachsenen Anspruch auf Erfüllung des Vermächtnisses an die Stelle richten, die insoweit das Aneignungsrecht ausgeübt hat". Dogmatisch fußt dies auf der Überzeugung, dass das deutsche Recht das Vindikationslegat nicht kennt und auch nicht anerkennen muss.[6] Postuliert wird ein Anspruch auf Erfüllung, gerichtet auf Übertragung des Eigentums an der Immobilie, die mit dem Vindikationslegat belastet ist.

[6] So die Motive, vgl. BR-Drs. 644/14, S. 54; ebenso Martiny, in: Schulte-Bunert/Weinreich, FamFG, 5. Aufl. 2016, § 32 Rn 4 IntErbRVG.

1. 3 Widerspruch zwischen § 32 Abs. 6 IntErbRVG und der EuGH-Rechtsprechung zu den unmittelbar dinglichen Wirkungen des Vindikationslegats

Die in § 32 Abs. 6 IntErbRVG zum Ausdruck gebrachte Auffassung vom Vindikationslegat ist obsolet und steht im Widerspruch zur EuGH-Rechtsprechung[7] von den unmittelbar dinglichen Wirkungen des Vindikationslegats. Nach Auffassung des EuGH treten die Wirkungen des Vindikationslegats auch in denjenigen Mitgliedsländern ein, die nur das Damnationslegat mit schuldrechtlicher Wirkung kennen, also auch in Deutschland.[8] Eine Nachlassspaltung soll vermieden, mehr Rechtssicherheit geschaffen werden, Art. 23 Abs. 1 EuErbVO. Dem Erbstatut räumt der EuGH den Vorrang vor dem Sachenrechtsstatut ein.[9] Die erbrechtliche Qualifikation als Übergangsmodalität bringt es mit sich, dass eine Umdeutung bzw. eine Anpassung des Vindikationslegats nicht mehr in Betracht kommt.[10] In der Konsequenz ist der dogmatischen Konzeption des § 32 Abs. 6 IntErbRVG durch die EuGH-Rechtsprechung der Boden entzogen und die Unionsrechtswidrigkeit der Regelung unumstößliche Realität.[11]

[7] EuGH ZEV 2018, 41; vgl. auch Leitzen, ZEV 2018, 311; Weber, DNotZ 2018, 16; Wilsch, ZfIR 2018, 253; Wilsch, ZfIR 2018, 595.
[8] Vgl. Cranshaw, jurisPR-IWR 6/2017 Anm. 5.
[9] Dorth, ZEV 2018, 11, 13; Wachter, ZErb 2017, 352, 358.
[10] Vgl. auch Wilsch, ZfIR 2018, 253, 256.
[11] Vgl. hierzu Dutta, ZEV 2015, 493, 498

2. Dinglicher Berichtigungsanspruch nach § 894 BGB

Ein lediglich schuldrechtlicher Erfüllungsanspruch steht dem Vindikationslegatar also nicht (mehr) zu, sondern ein dinglicher Berichtigungsanspruch nach § 894 BGB.[12] Im Lichte der EuGH-Rechtsprechung ist der Vindikationslegatar geh...

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