Leitsatz

1. Für die Feststellung des Fiskuserbrechts gemäß § 1964 BGB ist beim Nachlassgericht funktionell grundsätzlich der Rechtspfleger zuständig; der landesrechtliche Richtervorbehalt des § 14 Abs. 1 S. 2, 1 Nr. 4 ZustVO-Justiz umfasst das Feststellungsverfahren auch dann nicht, wenn Einwände gegen die Feststellung erhoben worden sind.

2. Eine Fiskuserbschaft kommt neben Erben dritter Ordnung nicht in Betracht; ist die ganze Linie eines Großelternpaares weggefallen, tritt gemäß § 1926 Abs. 4 BGB die Linie des anderen Großelternpaares an ihre Stelle, nicht der Fiskus.

3. Ein Abvermerk der Geschäftsstelle stellt keine Aufgabe zur Post im Sinne von § 15 Abs. 2 FamFG dar.

OLG Braunschweig, Beschl. v. 17.12.2021 – 3 W 48/21

1 Gründe

I.

Die Beschwerdeführer wenden sich dagegen, dass das Nachlassgericht – entgegen dem Erbscheinsantrag der Antragsteller vom 13.7.2020 – eine Fiskuserbschaft zu ½ festgestellt hat.

Der Erblasser war unverheiratet und hatte keine Abkömmlinge; er hat kein Testament errichtet. Seine Eltern sind vorverstorben und hatten keine Abkömmlinge neben dem Erblasser.

Die Antragsteller – die Beteiligten zu 2. bis 6. – sind Abkömmlinge der Großeltern mütterlicherseits des Erblassers. Ihnen hat das Nachlassgericht antragsgemäß den gemeinschaftlichen Teilerbschein vom 20.3.2020 (Bl. 44 d.A.) erteilt, nach dem sie den Erblasser zu insgesamt ½ beerbt haben. Abkömmlinge der Großeltern väterlicherseits des Erblassers waren seinerzeit nicht bekannt.

Mit notarieller Urkunde vom 13.7.2020 beantragten die Antragsteller die Erteilung eines gemeinschaftlichen Rest-Teilerbscheins bezüglich der zweiten Hälfte des Nachlasses. Abkömmlinge der Eltern oder Großeltern väterlicherseits des Erblassers seien nicht ermittelt worden, so dass die Antragsteller insgesamt Erben des Erblassers geworden seien. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Antrag (Bl. 48–49 d.A.) Bezug genommen.

Nach weiteren Ermittlungen und nachdem auch ein Aufgebotsverfahren keine verifizierbaren Hinweise auf Abkömmlinge der Großeltern väterlicherseits ergeben hatte, hat das Nachlassgericht mit angegriffenem Beschluss vom 15.3.2021 festgestellt, "dass ein anderer Erbe hinsichtlich des verbleibenden ½-Anteils des Nachlasses als das Land Niedersachsen nicht vorhanden ist". Der Beschluss ist allein dem Beschwerdeführer zu 1. zugestellt worden; die Antragsteller haben ihn nicht erhalten. Eine Entscheidung über den Erbscheinsantrag vom 13.7.2020 enthält der Beschluss nicht.

Gegen diesen Beschluss hat der Beschwerdeführer zu 1. – vertreten durch das Niedersächsische Landesamt für Bau und Liegenschaften – mit am 29.4.2021 eingegangenem Schriftsatz vom selben Tage Beschwerde eingelegt; das Fiskuserbrecht könne nur festgestellt werden, wenn – anders als hier – keine gesetzlichen Erben vorhanden seien.

Mit Beschluss vom 21.6.2021 (Bl. 102 d.A.) hat das Nachlassgericht der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht zu Entscheidung vorgelegt. Die Beschwerde sei verfristet, da der Beschluss dem Beschwerdeführer zu 1. am 24.3.2021 bekannt gegeben worden sei. Im Übrigen sei sie auch unbegründet: Es habe lediglich geklärt werden können, wer die Erben in der mütterlichen Linie des Erblassers seien; diesen sei der Teilerbschein vom 20.3.2020 hinsichtlich des halben Anteils erteilt worden. Abkömmlinge der väterlichen Linie des Erblassers hätten nicht ermittelt werden können, so dass das Fiskuserbrecht für den halben Anteil der väterlichen Linie des Erblassers festzustellen sei.

Am 26.8.2021 nahm der Verfahrensbevollmächtigte des Beteiligten zu 6. Akteneinsicht. Mit am 21.9.2021eingegangenem Schriftsatz vom selben Tage legte der Beteiligte zu 6. Beschwerde gegen den Beschluss des Nachlassgerichts vom 15.3.2021 ein.

Mit Schriftsatz vom 7.10.2021 teilte die Beteiligte zu 9. mit, dass sie den Beteiligten zu 7. und seine beiden Schwestern vertrete. Diese seien der Cousin bzw. die Cousinen ersten Grades väterlicherseits des Erblassers. Beigefügt war eine auf die Beteiligte zu 8. lautende Vollmacht des Beteiligten zu 7.

Mit am 13.10.2021 eingegangenem nicht datiertem Schriftsatz legten die Beteiligten zu 2. bis 4. – "alle zugleich auch handelnd für" die Beteiligte zu 5. – ebenfalls Beschwerde gegen den Beschluss des Nachlassgerichts ein.

Bezüglich der beiden letztgenannten Beschwerden hat ein Abhilfeverfahren bisher nicht stattgefunden.

II.

Die Beschwerden sind zulässig (1) und haben im Ergebnis Erfolg (2). Dem Senat ist allerdings bisher nur die Beschwerde des Landes Niedersachsen zur Entscheidung angefallen; durch die Entscheidung über diese Beschwerde haben sich die beiden anderen Beschwerden erledigt (3).

1. Die Beschwerden sind zulässig.

a) Die Beschwerde des Landes Niedersachsen vom 29.4.2021 ist statthaft und auch ansonsten zulässig.

Der Fiskus ist gegen einen Beschluss gemäß § 1964 BGB beschwerdeberechtigt im Sinne des § 59 FamFG (vgl. BGH, Beschl. v. 23.11.2011 – IV ZB 15/11, NJW 2012, 453 f. [Rn 4 ff.]; OLG Köln, Beschl. v. 3.8.2011 – 2 Wx 114/11, FGPrax 2011, 261 [262]).

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