Das notarielle Nachlassverzeichnis soll es dem Pflichtteilsberechtigten ermöglichen, seinen Pflichtteilsanspruch gegen den Erben zu ermitteln, der sich nach der Hälfte des gesetzlichen Erbanspruches berechnet. Dabei steht der Hinzurechnungsbetrag gemäß § 2325 BGB zu berücksichtigender Schenkungen dem Abzugsbetrag aufgrund besonderer Leistungen nach § 2057a BGB gegenüber. Gemäß § 2057a Abs. 4 BGB sind besondere Leistungen in der Weise anzurechnen, dass bei der Pflichtteilsberechnung der um besondere Leistungen verminderte Nachlasswert zugrunde zu legen ist.

Eine Besonderheit der Ausgleichung besonderer Leistungen im Sinne des § 2057a BGB ist die Unschärfe der Rechtsfolge. Anders als bei Schenkungen des Erblassers findet keine betragsgenaue Anrechnung statt. Vielmehr sind die besonderen Leistungen bei der Ausgleichung bzw. der Pflichtteilsberechnung zu berücksichtigen. Einschlägige Entscheidungen begnügen sich deshalb auch mit Billigung des Bundesgerichtshofes mehr oder weniger grob gegriffenen Monatsbeträgen.[19] Im Vordergrund bei der Berücksichtigung von Pflegeleistungen steht dabei der Vorteil einer vermiedenen Heimunterbringung. Ein Ausgleichungsbetrag kann sich dann in Anlehnung an den Eigenanteil bei Heimkosten ergeben, der von Pflegeheimen bei ihren Internetauftritten ausgewiesen wird. Ob sich die fiktive monatliche Ersparnis verringert, weil die Erblasserwohnung gekündigt oder vermietet hätte werden können,[20] ist eine Frage des Einzelfalls.

Das OLG Schleswig hat in seinem Urteil vom 22.11.2016[21] beispielhaft die Schritte der Urteilsfindung zur Bemessung eines Ausgleichungsbetrages bei Pflegeleistungen dargelegt. Dem Gericht kommt es zu, aus dem Vortrag der Prozessparteien einen berücksichtigungsfähigen Sachverhalt herauszufiltern und in gerichtlicher Ermessensausübung eine Bewertung des Einflusses besonderer Leistungen auf das Vermögen des Erblassers vorzunehmen. Der Notar sollte sich über das Zusammentragen der erbenseits dargelegten Leistungen hinaus einer Ergebnisauswertung enthalten, auch wenn er den Beteiligten damit nicht das gewünschte Ergebnis präsentiert. Selbstverständlich kann er sie über die Handhabung der Rechtsprechung belehren.

Nimmt der Notar gleichwohl die Bewertung vor, bleibt sie unverbindlich und setzt den Notar dem Risiko aus, letztlich sogar seinen Vergütungsanspruch zu verlieren, weil er seine Neutralitätspflicht verletzt hat und das Verzeichnis deshalb als unbrauchbar erachtet wird. Ein Beteiligter ist im Zweifel immer unzufrieden.

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