I.

Am 10.10.2021 ist A. P. J. R. (im Folgenden: Erblasser) verstorben. Er war in zweiter Ehe verheiratet mit der Beteiligten zu 1). Die Beteiligte zu 2) ist seine Tochter aus seiner ersten (geschiedenen) Ehe.

Der Erblasser hatte unter dem 5.11.2016 ein privatschriftliches Testament errichtet, das u.a. folgenden Inhalt hat:

Zitat

Nach meinem Tode möchte ich mein Vermögen wie folgt aufteilen

Meine jetzige Frau M.-L. R. … erhält das Zweifamilienhaus … Einschließlich der gesamten Einrichtung. Sämtliche Einkünfte aus diesem Haus stehen Ihr auch zu. Ferner erhält meine Frau M.-L. R. alle eventuell noch offenstehende Forderungen an Mietern und Kunden der Firma des Verstorbenen. Rückständige Mieten ehemaliger Mieter sowie mein Barvermögen gehen auch in den Besitz meiner Frau M.-L. R. Desweiteren erbt meine Frau den Erlös aus vorhandenen Verträgen sowie mein Auto. Eine Ausgleichszahlung an meine Tochter C. D.-R. … findet nicht statt.

Meine Tochter C. R.-D. geb R. vererbe ich mein Dreifamilienhaus sowie den Anbau in der … mit allen Rechten und Pflichten.

Ich erwarte das meine Erben M.-L. und C. nach der Erbauseinandersetzung weiterhin ein gutes Einvernehmen haben. Was auch für den Umgang mit meinen Enkelkindern gilt.

A. R.

Mit Schriftsatz vom 11.1.2022 hat die Beteiligte zu 1) unter Beifügung der notariellen Urkunde vom 7.1.2022 die Erteilung eines Erbscheins beantragt, der sie und die Beteiligte zu 2) als Erben zu je ½-Anteil ausweist (Bl. 1 ff. d. A.). Zur Begründung hat sie ausgeführt, dass der Erblasser die Vermögenswerte gleichermaßen auf die Beteiligten verteilt habe. In der Zuweisung der einzelnen Gegenstände seien Vorausvermächtnisse zu sehen.

Die Beteiligte zu 2) ist dem Antrag entgegengetreten und hat vorgetragen, dass die Zuweisung der Grundstücke an die Beteiligten nicht als Vorausvermächtnisse, sondern als Teilungsanordnung anzusehen sei. Es sei nicht vorstellbar, dass ihr der Erblasser nur einen Vermögenswert zugedacht habe, der geringer sei als ihr Pflichtteilanspruch. Das der Beteiligten zu 1) zugewandte Haus habe einen Wert von 450.000 EUR, das ihr zugewandte Haus dagegen nur einen Wert von 100.000 EUR.

Der anwaltliche Vertreter der Beteiligten zu 1) hat die Auffassung vertreten, dass die Beteiligte zu 1) nach dem Testament des Erblassers Alleinerbin und die Beteiligte zu 2) Vermächtnisnehmerin sei.

Durch am 19.4.2022 erlassenen Beschluss hat das Nachlassgericht die Tatsachen, die zur Begründung des Antrags der Beteiligten zu 1) erforderlich sind, für festgestellt erachtet (…). Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der Erblasser die Beteiligten zwar nicht ausdrücklich zu gleichen Teilen als Erben eingesetzt habe, es aber nicht ersichtlich sei, dass er von der gesetzlichen Erbquote habe abweichen wollen. Bei den Zuwendungen der einzelnen Vermögensgegenstände handele es sich um Vorausvermächtnisse und nicht um eine Teilungsanordnung.

Gegen diesen den Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten zu 1) am 2.5. bzw. am 4.5.2022 zugestellten Beschluss hat diese mit am 17.5.2022 beim AG Eschweiler eingegangenen anwaltlichen Schriftsatz vom selben Tag, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird (Bl. 37 ff. d. A.), Beschwerde eingelegt (Beschwerdeverfahren 2 Wx 129/22). Sie hat im Wesentlichen vorgetragen, dass sie Alleinerbin und die Beteiligte zu 2) Vermächtnisnehmerin sei. Dies ergebe die Auslegung des Testaments des Erblassers.

Mit am 24.5.2022 beim AG eingegangenen Schreiben vom 19.5.2022, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird (Bl. 44 d.’A.), hat auch die Beteiligte zu 2) Beschwerde gegen den ihr am 29.4.2022 zugestellten Beschl. v. 19.4.2022 eingelegt (Beschwerdeverfahren 2 Wx 131/22).

Durch am 25.5.2022 erlassenen Beschluss hat das Nachlassgericht der Beschwerde der Beteiligten zu 1) nicht abgeholfen und die Sache dem OLG Köln zur Entscheidung vorgelegt.

II.

1)

a)

Die gem. § 58 Abs. 1 FamFG statthafte Beschwerde der Beteiligten zu 1) ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere in rechter Form und Frist eingelegt worden. Die Beschwerdeberechtigung der Beteiligten zu 1) liegt vor. Nach § 59 Abs. 1 FamFG ist die erforderliche materielle Beschwer gegeben, wenn der angefochtene Beschluss den Beschwerdeführer in einem subjektiven Recht unmittelbar beeinträchtigt, also negative Auswirkungen auf seine materielle Rechtsstellung hat (Keidel/Meyer-Holz, FamFG, 20. Aufl. 2020, § 59 Rn 9 m.w.N.). Zur Feststellung der Rechtsbeeinträchtigung darf keine Sachprüfung der angefochtenen Entscheidung vorweggenommen werden. Ob eine Beeinträchtigung zu Unrecht erfolgte, ist erst im Rahmen der Begründetheit der Beschwerde zu prüfen. Deshalb ist bei der Zulässigkeitsprüfung die Unrichtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung in dem mit der Beschwerde geltend gemachten und damit dem Rechtsmittelgericht angefallenen Umfang zu unterstellen. Es kommt also darauf an, ob ein Recht des Beschwerdeführers beeinträchtigt wäre, wenn sich die angefochtene Entscheidung in seinem Sinn als ungerechtfertigt herausstellte (Keidel, a.a.O., Rn 16 m.w.N.). Gegen einen Bes...

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