I.

Der Verfügungsbeklagte ist der Sohn der am 0.12.2021 im Alter von 84 Jahren verstorbenen Erblasserin A.

Die Verfügungsklägerin ist die Enkelin der Erblasserin. Sie ist das einzige Kind von C B, ihrem am 0.11.2021 im Alter von 59’Jahren vorverstorbenen Vater, dem Bruder des Verfügungsbeklagten.

Die Erblasserin, die zwischenzeitlich mit dem vorverstorbenen D verheiratet war, war alleinige Eigentümerin des Grundstücks, eingetragen im Grundbuch von E des AG Hamm, Blatt Bl01. Es handelt sich um ein gepflegtes Zweifamilienhaus mit großem Grundstück in guter Lage in F-E, das den wesentlichen Nachlass der Erblasserin ausmacht.

Die Erblasserin hatte, z.T. gemeinsam mit ihrem Ehemann D, verschiedene letztwillige Verfügungen errichtet: So hatte sie am 2.2.1973 ein Testament notariell beurkunden lassen (…). Am 1.10.1979 schloss sie mit ihrem Ehemann D einen Erbvertrag (…). Ein weiterer Erbvertrag der Erblasserin und ihres Ehemanns D wurde am 1.8.1983 beurkundet (…). Am 5.2.1990 schloss sie mit ihrem Ehemann einen dritten Erbvertrag (…). Der letzte Erbvertrag der Erblasserin und ihres Ehemanns stammt vom 24.11.1998 (…). In diesem Erbvertrag setzte die Erblasserin ihre beiden Söhne, den Verfügungsbeklagten und den Vater der Verfügungsklägerin, zu Erben zu gleichen Teilen ein. Ersatzerben sollten deren ehelichen Abkömmlinge sein. Diese Verfügungen sollten ausdrücklich vertragsmäßig sein.

Die Erblasserin erteilte dem Verfügungsbeklagten am 12.11.2009 eine privatschriftliche Generalvollmacht mit Patienten- und Betreuungsverfügung, die ihn insbesondere dazu berechtigte, Grundstücke zu veräußern. In der Vollmachtsurkunde heißt es u.a.:

Zitat

"… Der Bevollmächtigte ist berechtigt, in meinem Namen Rechtsgeschäfte mit sich selbst vorzunehmen, gleichviel ob er dabei für sich oder Dritte handelt (Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB) …"

Ferner ist in der Vollmachtsurkunde geregelt, dass der Bevollmächtige durch die Vollmachtgeberin im Innenverhältnis angewiesen wird,

Zitat

"… von dieser Vollmacht erst Gebrauch zu machen, wenn ich aufgrund einer psychischen Erkrankung oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung meine Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht mehr selbst besorgen kann (fehlende Geschäftsfähigkeit ist durch ein ärztliches Attest nachzuweisen) …"

Weiter heißt es in der Urkunde, dass der Bevollmächtigte nicht berechtigt ist,

Zitat

"… ohne entsprechende ärztliche Feststellung von einem der vorgenannten Umstände auszugehen …"

Die Erblasserin unterschrieb die Vollmachtsurkunde am 19.7.2021 ein weiteres Mal. Diese Unterschrift wurde am 19.7.2021 notariell beglaubigt (…).

Am 0.11.2021 verstarb der Vater der Verfügungsklägerin nach langer schwerer Krankheit.

Der Verfügungsbeklagte stimmte danach für den 6.12.2021 einen Notartermin ab, in dem die Übertragung der Immobilie der Erblasserin auf den Verfügungsbeklagten beurkundet werden sollte. Nachdem sich die Erblasserin mit Corona infiziert hatte und am 3.12.2021 stationär ins Krankenhaus kam, sagte der Verfügungsbeklagte den ursprünglichen Beurkundungstermin ab und vereinbarte für den 10.12.2021 einen neuen Termin. Diesen Termin sagte der Verfügungsbeklagte wegen der Erkrankung der Erblasserin erneut ab, bat aber das Notariat um einen kurzfristigen neuen Beurkundungstermin. Der Verfügungsbeklagte ließ am 13.12.2021 einen Übertragungsvertrag beurkunden, durch den ihm die Hausimmobilie der Erblasserin im Wege der vorweggenommenen Erbfolge übertragen wurde. Er handelte dabei zugleich im eigenen Namen und im Namen der Erblasserin. Am 27.12.2021 wurde der Verfügungsbeklagte als Alleineigentümer in das Grundbuch eingetragen.

Die Erblasserin verstarb am 0.12.2021.

Das LG hat durch Beschl. v. 6.4.2022 antragsgemäß eine einstweilige Verfügung erlassen, aufgrund derer ein Widerspruch und ein Verfügungsverbot zugunsten der Verfügungsklägerin am 22.4.2022 in das Grundbuch eingetragen worden sind.

Das AG Hamm hat am 25.4.2022 zwei wortgleiche Ehegatten-Testamente der Erblasserin und ihres Ehemanns vom 2.4.2003 eröffnet. Darin heißt es u.a.:

Zitat

"… Der von uns vor dem Notar I am 24.11.1998 unterzeichnete Ehe- und Erbvertrag soll in nachfolgendem Punkt geändert werden: Die Kinder K und C B sollen nicht zu gleichen Teilen erben, sondern K B wird zum Alleinerben bestimmt."

Die Verfügungsklägerin hat vorgetragen, die Übertragung der Immobilie sei im Innenverhältnis nicht von dem Willen der Erblasserin gedeckt gewesen. Die Erblasserin habe von der Übertragung keine Kenntnis gehabt. Hätte sie eine Übertragung vornehmen wollen, hätte sie diese bereits am 19.7.2021 beurkunden lassen. Die Übertragung habe im Widerspruch zum Inhalt des Erbvertrags gestanden. Der Erblasserin sei die Gleichbehandlung ihrer Söhne immer wichtig gewesen. Außerdem sei die Erblasserin aufgrund einer Demenz nicht mehr zur Abgabe einer Willenserklärung in der Lage gewesen. Die Vollmacht sei in rechtsmissbräuchlicher Weise genutzt worden. Deshalb habe der Verfügungsbeklagte mit sich selbst kollusiv zusammengewirkt...

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