II.

Der angefochtene Grunderwerbsteuerbescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 FGO). Der Erwerb des Grundstücks zu Alleineigentum der Klägerin war nach § 3 Nr. 3 S. 1 GrEStG steuerfrei.

Gemäß § 3 Nr. 3 S. 1 GrEStG ist der Erwerb eines zum Nachlass gehörigen Grundstücks durch Miterben zur Teilung des Nachlasses von der Besteuerung ausgenommen. Der Klägerin und ihre Schwester waren Miterben nach ihrem verstorbenen Vater und ihrer verstorbenen Mutter. Das Grundstück gehörte zivilrechtlich bis zur Eintragung der Eigentumsänderung im Grundbuch zum Nachlass. Der Erwerb durch die Klägerin erfolgte zudem zur Teilung des Nachlasses, weil das Grundstück auch grunderwerbsteuerlich noch zum Nachlass gehörte. Dabei ist entgegen der Ansicht der Klägerin nicht von Bedeutung, dass die Bildung von hälftigem Miteigentum an dem Grundstück nach § 6 Abs. 1 GrEStG steuerfrei gewesen wäre. Dieser Umstand zwingt nicht zu der Annahme, dass § 3 Nr. 3 GrEStG auf die danach vorgenommene Übertragung des Miteigentumsanteils Anwendung finden müsste (vgl. BFH Urt. v. 7.2.2001 II R 5/99, BFH/NV 2001, 938). Entscheidend ist vielmehr, dass die unter § 2 und § 3 des Vertrags getroffenen Vereinbarungen als Bestandteile eines Gesamtvertrags anzusehen sind.

Nach der Rechtsprechung des BFH gehört ein Vermögensgegenstand, wenn mehrere Erben vorhanden sind, nur solange zum Nachlass, als er den Erben in dieser Eigenschaft in gesamthänderischer Verbundenheit zusteht. Wird die gesamthänderische Bindung etwa durch die Umwandlung in Bruchteilseigentum i.S.d. §§ 741 ff., 1008 ff. BGB gelöst, so verliert der Gegenstand seine Eigenschaft als Teil des Nachlasses. Eine Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 3 GrEStG kommt in einem solchen Fall auch dann nicht in Betracht, wenn die Miterben die Bildung von Bruchteilseigentum nur als vorläufige Maßnahme ansahen und von Anfang an die Absicht hatten, durch spätere Vereinbarung die Eigentumsverhältnisse abweichend zu gestalten, wenn also das Bruchteilseigentum nur als Zwischenlösung auf dem Weg zur endgültigen Auseinandersetzung (etwa durch den Erwerb von Alleineigentum) gewollt war (BFH Urt. v. 28.4.1954 II 186/53 U, BStBl III 1954, 176; BFH Urt. v. 21.11.1974 II R 19/68, BStBl II 1975, 271; BFH Urt. v. 7.2.2001 II R 5/99, BFH/NV 2001, 938). Vorliegend wurde tatsächlich kein Bruchteilseigentum an dem Grundstück gebildet. Voraussetzung hierfür wäre neben der dinglichen Einigung (Auflassung) eine Eintragung der Klägerin und ihrer Schwester als Miteigentümerinnen im Grundbuch gewesen. An einer solchen Eintragung fehlt es. Vielmehr wurde die Klägerin ohne Zwischenschritt als Alleineigentümerin nach ihrem verstorbenen Vater eingetragen. Festhalten lässt sich dementsprechend, dass das Grundstück sich auch nach Abschluss der notariellen Vereinbarung am 8.6.2017 noch im Gesamthandseigentum der Erbengemeinschaft befand.

Der Beklagte stellt in seiner Einspruchsentscheidung nicht auf den (dinglichen) Vollzug der Erbauseinandersetzung, sondern auf die (schuldrechtliche) Verpflichtung zur Bildung von Bruchteilseigentum ab. Der Beklagte geht insoweit zutreffend davon aus, dass bereits darin, dass sich die Klägerin und ihre Schwester in § 2 der notariellen Urkunde zur Bildung von Bruchteilseigentum verpflichtet haben, grunderwerbsteuerliche Erwerbsvorgänge liegen. Nach Ansicht des Beklagten sind diese Erwerbsvorgänge nach § 3 Nr. 3 GrEStG steuerfrei mit der Folge, dass der Befreiungstatbestand hierdurch verbraucht ist (in diesem Sinne FG Rheinland-Pfalz Urt. v. 16.4.2015 4 K 1380/13, EFG 2015, 1295, wobei hier der Auseinandersetzungsvertrag dinglich umgesetzt wurde). Allerdings setzt ein solcher "Verbrauch" voraus, dass die an sich grunderwerbsteuerlich zu berücksichtigende Auseinandersetzungsvereinbarung und die darauffolgend vereinbarte Grundstücksübertragung nicht als untrennbare Bestandteile eines Gesamtvertrags zu verstehen sind. Ist dies doch der Fall, so unterfällt der Gesamtvertrag der Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 3 GrEStG. Eine solche Gesamtvereinbarung liegt hier vor.

Nach der Rechtsprechung des BFH kann eine Zusammenschau zweier Unterabschnitte eines Vertrags geboten sein; denn der Vertrag kommt – mit seinen verschiedenen Unterabschnitten – zum selben Zeitpunkt (mit der letzten Unterschrift) rechtswirksam zustande. Die Bindungswirkung der Vereinbarungen tritt zeitgleich ein. Wenn zudem ein innerer Zusammenhang zwischen den beiden Erwerbsvorgängen besteht, ist davon auszugehen, dass der eine Teil des Rechtsgeschäfts nicht ohne den anderen vorgenommen worden wäre und daher ein einheitlicher Vertrag vorliegt (BFH Urt. v. 15.12.1972 II R 123/66, BStBl II 1973, 363: im Nachlass befindliches Grundstück als Gegenleistung für die Übertragung des anderen Erbteils; vgl. auch Sächsisches FG Urt. v. 25.6.2003, 6 K 1625/00, EFG 2003, 1567 mit zustimmender Anmerkung Fumi: Bildung von Miteigentum und anschließende Teilungserklärung nach § 3 WEG als einheitliches Rechtsg...

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