I. Ausgangslage
Die "Corona-Pandemie" hat weltweit zu tiefgreifenden Einschränkungen des öffentlichen und privaten Lebens geführt, in einigen Bereichen bis zum Lockdown oder Shutdown. Die Strafgerichte haben Hauptverhandlungen mit Ausnahme von Haftsachen oder Fortsetzungsterminen nahezu flächendeckend ausgesetzt. Zugleich wirft die "Corona-Krise" die Frage auf, welche straf- und bußgeldrechtlichen Folgen Verstöße gegen die Vorgaben nach dem InfektionsschutzG (IfSG) haben können. Die exakte Bezeichnung des "Coronavirus" lautet SARS-CoV-2 (vormals 2019-nCoV). Das Virus kann die Lungenerkrankung COVID-19 auslösen. Die Inkubationszeit beträgt bis zu 14 Tagen. Bei 81 % der bestätigten Fälle soll ein leichter, bei 14 % ein schwerer und bei 5 % ein kritischer Krankheitsverlauf vorliegen. Die Letalitätsrate liegt bei bis zu 2 % der Infektionen, wobei sie bei Personen aus den Risikogruppen (ältere Menschen, Vorerkrankungen) auf 10–15 % steigen kann. Eine Ansteckung ist insb. möglich, wenn zwei Personen engen Kontakt von weniger als 2 m Abstand zueinander haben, wobei die Übertragung durch Tröpfcheninfektion erfolgt (alles nach www.wikipedia.de ). Am 11.3.2020 hat die Weltgesundheitsorganisation WHO die Auswirkungen des Virus offiziell als Pandemie eingestuft. In der Folge kam es auch in Deutschland zu den bekannten massiven Einschränkungen.
Das Virus SARS-CoV-2 unterfällt dem IfSG. Nach § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 IfSG i.V.m. § 1 CoronaVMeldeV v. 30.1.2020 besteht eine Meldepflicht bei Erkrankung sowie nach § 7 Abs. 1 Satz 1 IfSG beim Nachweis von Krankheitserregern (Legaldefinitionen von Infektion, Krankheitserregern, Kranker, Krankheitsverdächtiger, Ansteckungsverdächtiger u.a. in § 2 IfSG). Straf- bzw. bußgeldrechtlich relevantes Verhalten kann sich aus dem IfSG und aus den Normen des allgemeinen Strafrechts ergeben (zur Gefahrenabwehr im Infektionsschutzrecht Engels DÖV 2014, 464; Lisken/Denninger/Kniesel, Handbuch des Polizeirechts, 6. Aufl. 2018, Abschnitt J Teil II Rn 40 ff.).
Hinweis:
Wie bei der Bewältigung der Krise als solcher ist auch die rechtliche Bewertung nahezu täglich neuen Entwicklungen und Änderungen unterworfen. Hier kann daher nur eine Momentaufnahme von einem in weiten Teilen juristischen Neuland gemacht werden. Weitere Erörterungen werden zwangsläufig folgen müssen (Abschluss der Bearbeitung: 15.4.2020). Zu den Auswirkungen der Pandemie auf das Strafverfahren Deutscher StRR Heft 5/2020.
II. Straftaten und Ordnungswidrigkeiten nach IfSG
Ausgewählte Verstöße gegen die Vorgaben des IfSG werden von §§ 74, 75 IfSG als Straftaten und von § 73 IfSG als Ordnungswidrigkeiten sanktioniert. Einschlägig sind hier insb. Verstöße gegen die durch landesbehördliche Verordnungen oder Allgemeinverfügungen angeordneten Beschränkungen zur Bewältigung der Krise.
Hinweis:
Hier wird als Beispiel die Rechtslage in Nordrhein-Westfalen dargestellt (Zusammenfassung für alle Bundesländer bei https://www.bussgeldkatalog.org/corona/ ). Bezüglich der Bewegungsfreiheit des Einzelnen (Kontaktverbot in NRW oder Ausgangsbeschränkungen in Bayern) sowie einzelnen Ausgestaltungen bestehen zwar Unterschiede. Im Kern dürften die straf- und bußgeldrechtlichen Fragestellungen bundesweit vergleichbar sein.
1. Rechtsgrundlagen der Einschränkungen
a) Coronaschutzverordnung
Das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales NRW hat auf der Grundlage der §§ 28 Abs. 1 S. 1 und 2, 32 IfSG mit Wirkung zum 23.3.2020 die Verordnung zum Schutz vor Neuinfizierungen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 (Coronaschutzverordnung – CoronaSchVO) erlassen. Durch eine ÄnderungsVO vom 30.3.2020 wurde sie geändert und neu gefasst am 16.4.2020 (aktueller Wortlaut: https://www.land.nrw/sites/default/files/asset/document/2020-04-16_verordnung_zur_aenderung_von_rvoen.pdf ). Die CoronaSchVO geht den vielerorts zuvor erlassenen Verfügungen örtlicher Ordnungsbehörden bezüglich inhaltsgleicher oder widersprechender Regelungen vor (§ 13). Sie weist im Wesentlichen folgen Regelungen auf:
- Verbot von Zusammenkünften und Ansammlungen in der Öffentlichkeit von mehr als zwei Personen (§ 12 Abs. 1 CoronaSchVO). Ausgenommen sind Verwandte in gerader Linie, Ehegatten, Lebenspartnerinnen und Lebenspartner sowie in häuslicher Gemeinschaft lebende Personen, die Begleitung minderjähriger und unterstützungsbedürftiger Personen, zwingend notwendige Zusammenkünfte aus geschäftlichen, beruflichen und dienstlichen sowie aus prüfungs- und betreuungsrelevanten Gründen sowie bei der bestimmungsgemäßen Verwendung zulässiger Einrichtungen unvermeidliche Ansammlungen (insb. beim öffentlichen Personennahverkehr).
- Veranstaltungen und Versammlungen sind mit wenigen Ausnahmen untersagt, ebenso Gottesdienste (§ 11 CoronaSchVO).
- Freizeit-, Kultur-, Sport- und Vergnügungsstätten wie Bars, Diskotheken, Kinos, Messen, Fitness- und Sonnenstudios, Saunen, Schwimmbäder, Spiel und Bolzplätze, Spielhallen und Prostitutionsstätten haben zu schließen (§ 3 CoronaSchVO), ebenso Hotels (§ 8 CoronaSchVO).
- Im Bereich des Handels ist erlaubt nur der Betrieb von Einrichtungen des Einzelhandels für Lebensmittel, Direktvermarktungen von landwirtschaftlichen Betr...