Sind bei einer Kündigung aufgrund einer Betriebsänderung nach § 111 BetrVG die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat namentlich bezeichnet, so wird vermutet, dass die Kündigungen durch dringende betriebliche Erfordernisse i.S.v. § 1 Abs. 2 KSchG bedingt sind, § 1 Abs. 5 S. 1 KSchG. In diesem Fall beschränkt sich die Überprüfung der Sozialauswahl durch die Gerichte auf grobe Fehlerhaftigkeit, wobei u.a. auf eine ausgewogene Altersgruppenbildung abgestellt wird. Das BAG hat den Maßstab hierfür erneut deutlich verschärft. Nach dem bereits im Urteil vom 24.10.2013 (BAG, Urt. v. 24.10.2013 – 6 AZR 854/11, Rn 49, NZA 2014, 46) klargestellt wurde, dass die Proportionalität nur gewahrt ist, wenn in jeder Altersgruppe zu kündigende Arbeitnehmer enthalten sind, postuliert die Entscheidung vom 26.3.2015 nun den Grundsatz, dass die Altersgruppenbildung stets streng proportional erfolgen muss. Dies gilt auch im Anwendungsbereich von § 1 Abs. 5 S. 2 KSchG. Beteiligt der Arbeitgeber die Altersgruppen proportional unterschiedlich stark am Personalabbau, führt dies zu einer Veränderung der vorhandenen Altersstruktur. Eine solche stellt kein berechtigtes Interesse i.S.v. § 1 Abs. 3 S. 2 KSchG dar (BAG, Urt. v. 26.3.2015 – 2 AZR 478/13, NZA 2015, 1122). Im Arbeitgebermandat bleibt bei der Altersgruppenbildung kein Spielraum. Einzig mathematische Rundungsfehler mögen noch hinnehmbar sein. Ein Beurteilungsspielraum besteht allein bei der Bildung der Altersgruppen. Diese muss jedoch sachlichen Kriterien genügen, was sowohl bei (linearen) Fünf- als auch bei Zehn-Jahreszeiträumen der Fall ist.

Die zu beurteilende Maßnahme sah den "Abbau von 140 direkten und 82 indirekten Vollzeitarbeitsplätzen " vor. Es wurde ein Interessenausgleich mit Namensliste vereinbart und für die Sozialauswahl wurde ein Punkteschema festgelegt. Von den insgesamt 798 Arbeitnehmern waren 368 in der Vergleichsgruppe der Montagehelfer zugeordnet. 156 Montagehelfer waren vom Personalabbau betroffen. Die Betriebsparteien bildeten acht Altersgruppen in Fünf-Jahres-Schritten, beginnend mit dem 29. Lebensjahr. Die Klägerin gehörte der Altersgruppe der 55- bis 59-jährigen Arbeitnehmer an. Innerhalb dieser Altersgruppe wurde 15 von 30 Arbeitnehmern gekündigt. Sechs weitere Arbeitnehmer wurden entlassen, obgleich sie eine höhere Punktzahl erzielten. Die Klägerin belegte die zehntletzte Stelle innerhalb ihrer Altersgruppe, neun Arbeitnehmer verfügten über weniger, fünf über mehr Sozialauswahlpunkte. Die Arbeitgeberin trägt vor, die Sozialauswahl sei nicht zu beanstanden, weil in der Altersgruppe mehr als 42 % der Mitarbeiter (nach Köpfen) und rund 40 % der Vollzeitarbeitsplätze (nach Kapazitäten) abgebaut worden seien.

Der Kündigungsschutzantrag hatte Erfolg. Die Auswahl der Klägerin war grob fehlerhaft i.S.v. § 1 Abs. 5 S. 2 KSchG, weil die Altersgruppenbildung nach § 1 Abs. 3 S. 2 KSchG zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur nicht zulässig war. Die im konkreten Fall vorgenommene Altersgruppenbildung und die daraus abgeleiteten Kündigungsentscheidungen müssen zur Sicherung der bestehenden Personalstruktur tatsächlich geeignet sein. Hierzu ist eine dreistufige Prüfung vorzunehmen: (1) Innerhalb des zur Sozialauswahl anstehenden Personenkreises (Vergleichsgruppe) müssen nach sachlichen Kriterien Altersgruppen gebildet werden, (2) die Belegschaft muss prozentual proportional auf die Altersgruppen aufgeteilt werden und (3) die Gesamtzahl der auszusprechenden Kündigungen dem prozentualen Proporz entsprechend auf die einzelnen Altersgruppen verteilt werden. Zwar wurde im vorliegenden Fall ein berechtigtes betriebliches Interesse an der Beibehaltung der Altersstruktur widerlegbar vermutet, weil innerhalb der Vergleichsgruppe im Verhältnis zur Anzahl aller Arbeitnehmer des Betriebs der Schwellenwert des § 17 KSchG erreicht war. Die Sozialauswahl scheiterte vorliegend bereits daran, dass der Zweite Senat an Hand des Vortrags der Arbeitgeberin zu den Tagesstunden die proportionale Verteilung der von den Kündigungen nach "Köpfen" betroffenen Arbeitnehmer nicht nachzuvollziehen vermochte. Der Interessenausgleich sah einen Personalabbau nach Vollzeitarbeitsplätzen vor. Die Umrechnung war für den Zweiten Senat des BAG nicht nachvollziehbar.

Weiter scheitert die Kündigung an der fehlenden Proportionalität der Kündigungen innerhalb der Altersgruppen. Die Arbeitgeberin hat einzelne gebildete Altersgruppen überproportional herangezogen und damit nicht gleichmäßig am Gesamtpersonalabbau innerhalb der Vergleichsgruppe beteiligt. Dies unabhängig davon, ob nach "Köpfen" oder "Stellenanteilen" gerechnet wird. Die von der Arbeitgeberin selbst errechnete Kündigungsquote betrug 42,4 %. In den Altersgruppen schwankte die Kündigungsquote jedoch zwischen 37,29 % und 58,33 % der Arbeitnehmer. Dies hatte zur Folge, dass der Senat nicht festzustellen vermochte, dass innerhalb der Altersgruppen eine Auswahl anhand des verei...

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