Das sog. Wechselmodell im Familienrecht, d.h. ein Modell, bei dem die Kinder von beiden getrenntlebenden Elternteilen im Wechsel zeitlich annähernd gleich lang betreut werden, war Mitte Februar Gegenstand der Anhörung von Sachverständigen im Rechtsausschuss des Deutschen Bundestags. Während eine Reihe von Abgeordneten das familienrechtliche Wechselmodell als gesetzlichen Regelfall einführen will, sind andere strikt dagegen. Bei der Anhörung wollten die Abgeordneten von den Sachverständigen vor allem wissen, wie mögliche Reformen im Umgangsrecht aussehen könnten, wie sich das Wechselmodell in finanzieller Hinsicht auf die Eltern auswirkt und wie der Staat bei einer stärkeren paritätischen Betreuung Unterstützung leisten kann.

Mehrere Experten verwiesen in ihren Stellungnahmen auf die bereits seit Jahren z.T. heftig und auch ideologisch geführte Diskussion zum Thema Wechselmodell. Auch sähen weder das BVerfG noch der BGH eine Pflicht des Gesetzgebers, getrenntlebenden Eltern eine paritätische Betreuung vorzugeben.

Die Vertreterin des Deutschen Juristinnenbundes plädierte im Ergebnis der jahrelangen Diskussion gegen eine Festschreibung des Wechselmodells als gesetzlichen Regelfall und für mit Bedacht geführte Diskussionen zu Änderungen im Kindesunterhalt. Zudem müssten tragfähige Lösungen für paritätische Betreuungsmodelle auch für getrenntlebende Eltern und ihre Kinder im Grundsicherungsbezug entwickelt werden. Sie betonte ebenso wie auch die anderen Sachverständigen, dass jede gesetzliche Änderung unter dem Vorbehalt des Kindeswohls zu stehen habe.

Für die Vertreterin des Berufsverbands Deutscher Psychologinnen und Psychologen zeigt sich kein einheitliches Bild in den internationalen Forschungsergebnissen zum Thema Wechselmodell, wobei sich in Deutschland nur wenig Forschung dazu finde. Die Praxis zeige, dass es die Dominanz eines Modells aus der Kinderperspektive nicht geben könne. Vielmehr müsse im Einzelfall auf die Bedürfnisse des Kindes und die Familiensituation abgestellt werden.

Die Bundesgeschäftsführerin des Verbands alleinerziehender Mütter und Väter warnte in ihrer Stellungnahme vor der Vorgabe des Wechselmodells als Regelfall durch den Gesetzgeber, denn er verhindere damit die jeweils beste Lösung für das Kindeswohl. Deshalb sollten Eltern ihr Familienleben weiterhin autonom und individuell gestalten und sich für ein Betreuungsmodell entscheiden, welches den Bedürfnissen aller Beteiligten, aber vorrangig dem Wohl ihres Kindes Rechnung trägt. Nötig sei dabei eine ergebnisoffene Beratung. Sie gab ebenfalls zu bedenken, dass Vorteile eines Wechselmodells für Kinder wissenschaftlich nicht belegt und die langfristigen Wirkungen auf Kinder noch nicht ausreichend erforscht seien. Zudem stelle es hohe Anforderungen an alle Beteiligten und eigne sich nicht als gleichstellungspolitisches Instrument.

Die Vertreterin des Deutschen Anwaltvereins verwies auf die Rechtsprechung des BGH, wonach die Gerichte bei der Entscheidung über den Kindesumgang frei sind, und damit einem Wechselmodell nichts im Weg stehe. Dies sei eine gute Grundlage für eine Reform des Familienrechts. Eine Festlegung auf ein Modell sei dagegen nicht empfehlenswert. Stattdessen bräuchten die Eltern mehr staatliche Unterstützung, z.B. bei der Mediation. Ferner regte sie an, außergerichtliche Einigungen verbindlich zu machen.

Ein Diplompsychologe vom Deutschen Jugendinstitut konstatierte ein wachsendes Interesse am Wechselmodell. Hier sei die Politik gefordert, Voraussetzungen zu schaffen. Keine Grundlage sehe er jedoch für die Einführung des Wechselmodells als Regelfall. Die Forschungsdirektorin des Jugendinstituts verwies auf das gestiegene Engagement der Väter in der Kinderbetreuung. Aus ihrer Sicht spreche dem Wechselmodell als Regelfall jedoch entgegen, dass es keine paritätische Rollenverteilung gebe. Sie sprach sich stattdessen dafür aus, die Elternautonomie weiter zu stärken.

Eine Expertin von der Evangelischen Hochschule Nürnberg sprach sich dagegen für das Wechselmodell als "Leitbild" aus. Die gesellschaftliche Realität habe sich geändert. Die von den meisten Eltern gelebte und gewünschte partnerschaftliche Aufteilung von Familienarbeit und Erwerbstätigkeit in der Partnerschaft werde nach Beendigung der Partnerschaft im Wechselmodell fortgesetzt. Auch stehe das Leitbild des Wechselmodells im Einklang mit Grundrechten von Kindern und Eltern. Sie schränkte jedoch ein, dass das Wechselmodell weder eine Lösung für jede Trennungsfamilie noch ein Allheilmittel für alle Probleme zwischen Trennungseltern ist.

Für flexible Regelungen, die Eltern und Kindern zugutekommen, sprach sich der Vertreter des Interessenverbands Unterhalt und Familienrecht aus. Modelle dürften nicht praktischen Regelungen im Wege stehen. Am sichersten und gerechtesten werde die gemeinsame elterliche Sorge nach Trennung und Scheidung umgesetzt, wenn beide Elternteile ihre individuelle Regelung treffen. Hier sei das Wechselmodell eine mögliche Antwort.

[Quelle: Bundestag]

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