I. Existenzsichernde Leistungen

1. Bestehen einer Bedarfsgemeinschaft (Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft)

Leistungen nach dem SGB II setzen grundsätzlich das Bestehen von Hilfebedürftigkeit gem. §§ 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 3, 9 SGB II voraus. Nach § 9 Abs. 2 S. 1 SGB II sind bei Personen, die in einer Bedarfsgemeinschaft leben auch das Einkommen und Vermögen des Partners bei der Bestimmung der Hilfebedürftigkeit zu berücksichtigen. § 7 Abs. 3 Nr. 3 lit. c SGB II ordnet an, dass zur Bedarfsgemeinschaft auch eine Person gehört, die mit der erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person in einem Haushalt so zusammenlebt, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen. Ob eine solche Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft vorliegt, ist durch die Tatsachengerichte anhand von Indizien im Wege einer Gesamtwürdigung festzustellen. Nach der Rechtsprechung des BSG (Urt. v. 23.8.2012 – B 4 AS 34/12 R, Rn 14) müssen drei Merkmale kumulativ gegeben sein:

  1. Bei den fraglichen Personen muss es sich um Partner handeln,
  2. die in einer Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft leben (objektive Voraussetzung),
  3. und zwar so, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und für einander einzustehen (subjektive Voraussetzung).

Ein wechselseitiger Wille, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen, wird – widerlegbar – vermutet, wenn

  • Partner länger als ein Jahr zusammen leben,
  • mit einem gemeinsamen Kind zusammen leben,
  • Kinder oder Angehörige im Haushalt versorgen oder
  • befugt sind, über Einkommen oder Vermögen des anderen zu verfügen (§ 7 Abs. 3a SGB II).

Gemeint sind hierbei nicht nur Partner einer eheähnlichen Gemeinschaft, sondern auch gleichgeschlechtliche Personen, die im Rahmen einer lebenspartnerschaftsähnlichen Gemeinschaft zusammenleben (zum Ganzen näher Sartorius, in: Berlit/Conradis/Sartorius, Existenzsicherungsrecht, 2. Aufl. 2013, Kap. 19 und zuletzt Wettlaufer SGb 2016, 496).

In dem vom BSG zu entscheidenden Fall hatte nach den Feststellungen des Berufungsgerichts zwischen der Klägerin und ihrem Partner früher über einen längeren Zeitraum hinweg eine Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft bestanden. Im Hinblick darauf ging das LSG davon aus, da es sich für den späteren streitbefangenen Zeitraum nicht habe objektivieren lassen, dass sich die Partner gemäß des entsprechend anzuwendenden § 1567 Abs. 1 BGB – wonach Ehegatten getrennt leben, zwischen ihnen keine häusliche Gemeinschaft besteht und ein Ehegatte sie erkennbar nicht herleiten will, weil er die eheliche Lebensgemeinschaft ablehnt; gem. § 1567 Abs. 1 S. 2 BGB besteht die häusliche Gemeinschaft auch nicht, wenn Ehegatten innerhalb einer Wohnung getrennt leben – getrennt hätten. Daher sei auch im Bewilligungszeitraum vom Fortbestehen der Bedarfsgemeinschaft nach § 7 Abs. 3 Nr. 3 lit. c SGB II auszugehen. Dem folgt das BSG nicht (Urt. v. 12.10.2016 – B 4 AS 60/15 R). Für die zu treffende Feststellung, ob eine Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft (weiter) besteht, könne nicht von der familienrechtlichen Norm des § 1567 BGB ausgegangen werden – auch nicht in Form einer entsprechenden Anwendung – und damit von der Klägerin der Nachweis eines objektiv erkennbaren Trennungswillen verlangt werden. Vielmehr müsse im jeweiligen Bewilligungszeitraum das Bestehen einer solchen Gemeinschaft positiv festgestellt werden, wobei hierbei ausschließlich die in § 7 Abs. 3 Nr. 3 Lit. c SGB II genannten Voraussetzungen für die Beurteilung zu prüfen sind. Das Berufungsurteil wurde aufgehoben und der Rechtsstreit zur Vornahme der erforderlichen Feststellungen und zur Entscheidung an das LSG zurückverwiesen.

2. Bedarfe für Unterkunft und Heizung

a) Kosten der Umstellung von Telefon-, Internetanschluss sowie Postnachsendeauftrag

Nach § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II sind die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung als Bedarf anzuerkennen, soweit sie angemessen sind. Der rollstuhlpflichtige Kläger hatte sich von seiner Ehefrau getrennt und zog nach Einholung einer Zusicherung nach § 22 Abs. 4 SGB II in eine neue Wohnung um. Das beklagte Jobcenter gewährte ihm auf seine Anträge hin Leistungen der Erstausstattung für die neue Wohnung sowie Leistungen für die Durchführung des Umzugs durch ein Umzugsunternehmen, nicht jedoch die Aufwendungen für die Bereitstellung eines Telefon- und Internetanschlusses sowie einen Nachsendeantrag.

Das BSG (Urt. v. 10.8.2016 – B 14 AS 58/15 R) verurteilte das Jobcenter – wie schon die Vorinstanzen – zur Übernahme dieser Aufwendungen als Umzugskosten nach § 22 Abs. 6 SGB II. Umzugskosten im Sinne der Norm seien nur solche Kosten, die unmittelbar durch den Umzug verursacht werden und nicht solche, die damit lediglich in Zusammenhang stünden (vgl. BSG, Urt. v. 16.12.2008 – B 4 AS 49/07 R). Diese Einschränkung diene vor allem dazu, einmalige umzugsbedingte Aufwendungen von laufenden Aufwendungen abzugrenzen. Nach heutiger Auffassung seien sowohl ein Telefon- und Internetanschluss als auch ein Nachsendeantrag notwendig, um nach einem Umzug die vom Gesetzgeber als Grundbedürfnis anerkannte Kommunikation mit anderen Menschen, Behörden, Banke...

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