Mit den diversen Umschreibungen, in denen uns der Dritte in der täglichen Rechtspraxis begegnet, wird zum Ausdruck gebracht, wie es sein sollte, d.h. es handelt sich um vom Richter normativ gemachte Annahmen unter der "Larve von Bericht und Beschreibung" (vgl. Barnert, a.a.O., S. 239). Eckert äußerte 1982, die schon damals nicht neue Vermutung, dass sich hinter dem Dritten niemand anderes verbirgt als der Richter selbst (vgl. Eckert, a.a.O., S. 21).

Eckert ist daher in Folgendem zuzustimmen:

Zitat

"Der ‘objektive Beobachter’ ist kein anderer als der Richter selbst. Dieser gibt seine, notwendig persönlichen, Überzeugungen als die eines ‘objektive Beobachters’ aus. Der ‘objektive Beobachter’ kann daher seine Aufgabe, richterliche Wertungen einen unparteiischen Charakter zu verschaffen, nicht erfüllen. Daneben kann die Verwendung des ‘objektive Beobachters’ die Entscheidung nicht konsensfähiger und so die ihnen zugrunde liegenden Wertungen allgemein gültiger machen. Dazu müssten die ‘objektiven Beobachter’ ihre Begründungen offen legen (...). Die Wertungen des Richters erscheinen als Tatsachen, seine Deutungen als Wahrnehmungen. Die Argumentation unter Berufung auf den ‘objektiven Beobachter’ ist also nicht rational überprüfbar und kritisierbar. Der ‘objektive Beobachter’ erhöht folglich nicht die Rationalität, sondern die Irrationalität richterlicher Entscheidungsfindung (...). Seine subjektiven Überzeugungen werden zur Grundlage der an die Partei gerichteten Mitteilung, was sie als recht hinzunehmen haben." (Eckert, a.a.O., S. 131)

Nicht richtig ist hingegen die Annahme von Eckert, dass die Verwendung der Kunstfigur des Dritten die richterliche Wertungstätigkeiten nicht legitimieren könne, und/oder der Richter sich mit seiner Hilfe der Bindung an das Gesetz und dem Parteiwillen entziehen würde (vgl. Eckert, a.a.O., S. 131).

Richtig ist vielmehr, was Arthur Kaufmann beschrieben hat:

Zitat

"Unsere heutige Unsicherheit – Rechtsunsicherheit – rührt in erster Linie nicht daher, dass die Gesetze begrifflich schlechter gefasst wären als ehedem; wir sind vielmehr der hinter den Gesetzesbegriffen stehenden Typen nicht mehr sicher! Wir wissen nicht mehr so recht, was ein ‘ordentlicher Kaufmann’, ein ‘vorbildlicher Familienvater’ ist (...). Die überkommenen Typen und Gestalten haben uns weitgehend ihre überzeugende Kraft eingebüßt. Des Gesetzgebers Aufgabe ist es, (...) Typen zu beschreiben (...). Aber es ist unmöglich, einen Typus genau zu beschreiben; die Beschreibung kann sich dem Typus immer nur annähern, nie wird er bis in die letzten Feinheiten erfasst." (Kaufmann, Analogie und Natur der Sache, S. 49)

Daraus folgt, dass dort, wo der Gesetzgeber nicht beschreibt, der Richter beschreibt, und den Dritten als Vehikel nutzt (vgl. Barnert, a.a.O., S. 50). Das ist also unvermeidbar.

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