(OLG Hamm, Urt. v. 27.10.2016 – 10 U 13/16) • Für die Beurteilung der Sittenwidrigkeit eines sog. Behindertentestaments ist nicht danach zu differenzieren, wie groß das dem behinderten Kind hinterlassene Vermögen ist. Es ist weder eine klar umrissene Wertung des Gesetzgebers noch eine allgemeine Rechtsauffassung festzustellen, dass Eltern einem behinderten Kind ab einer gewissen Größe ihres Vermögens einen über den Pflichtteil hinausgehenden Erbteil hinterlassen müssen, damit es nicht ausschließlich der Allgemeinheit zur Last fällt. Hinweis: Einem Erblasser ist es im Rahmen seiner verfassungsrechtlich gem. Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG garantierten Testierfreiheit gestattet ein behindertes Kind bei der Erbfolge zu benachteiligen. Die im Rahmen der Erbrechtsgarantie gewährleistete Privatautonomie findet ihre Grenze lediglich im sozialstaatlich und durch Art. 6 Abs. 1 GG legitimierten Pflichtteilsrecht, das den nächsten Angehörigen eines Erblassers einen Mindestanteil an seinem Vermögen sichert. Die daneben geltende Schranke des § 138 Abs. 1 BGB kann eine erbrechtliche Zurücksetzung nächster Angehöriger in dem Bereich unterhalb der Schwelle des Pflichtteilsrechts nur in besonders schwerwiegenden Ausnahmefällen abwehren. Eine Sittenwidrigkeit lässt sich auch nicht mit dem Grundsatz des Nachrangs der Sozialhilfe begründen. Das sozialrechtliche Subsidiaritätsprinzip, das im Sozialhilferecht selbst in erheblichem Maße durchbrochen und für die unterschiedlichen Leistungsarten verschieden ausgestaltet ist, betrifft lediglich das Verhältnis des Sozialhilfeempfängers zum Sozialhilfeträger. Die Vorschriften der § 2 SGB XII, § 9 SGB I stellen allein darauf ab, ob der Sozialhilfeberechtigte zum Bestreiten seines Lebensunterhalts Geld- oder Sachmittel von Dritten erhält. Nur tatsächlich dem Sozialhilfeberechtigten zugewandte Mittel sind nach den Wertungen des Gesetzgebers vorrangig vor der gewährten staatlichen Hilfe einzusetzen. Hieraus lässt sich weder eine Verpflichtung des zuwendenden Dritten zur weiteren Unterstützung des Sozialhilfeberechtigten noch eine Beschränkung in seiner verfassungsrechtlich garantierten Testierfreiheit herleiten.

ZAP EN-Nr. 190/2017

ZAP F. 1, S. 292–292

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