Eine fiktive Terminsgebühr entsteht ferner bei Annahme eines Anerkenntnisses (§ 101 Abs. 2 SGG).

 

Beispiel 9: Angenommenes Anerkenntnis in der Hauptsache

Das Verfahren über eine Verpflichtungsklage endet durch angenommenes Anerkenntnis, ohne dass mündlich verhandelt worden war.

Da im Verfahren eine mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist (§ 124 Abs. 1 SGG), entsteht eine Terminsgebühr. Die Höhe der Terminsgebühr beläuft sich gem. Anm. S. 2 zu Nr. 3106 VV RVG auf 90 % der Verfahrensgebühr (s.u. 8.).

 
1. Verfahrensgebühr, Nr. 3102 VV RVG   300,00 EUR
2. Terminsgebühr, Anm. S. 2 Nr. 3 zu Nr. 3106 VV RVG   270,00 EUR
3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG   20,00 EUR
  Zwischensumme 590,00 EUR  
4. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG   112,10 EUR
  Gesamt:   702,10 EUR

Für den Anfall der Terminsgebühr nach Anm. S. 1 Nr. 3 zu Nr. 3106 VV RVG kommt es unabhängig von der Wortwahl darauf an, ob inhaltlich ein Anerkenntnis vorliegt (LSG Schleswig-Holstein AGS 2014, 166 = NZS 2014, 399 = NJW-Spezial 2014, 316 – zur inhaltsgleichen Regelung der Anm. Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 3104 VV RVG).

 

Hinweis:

Unerheblich ist auch, ob und in welchem Umfang Bemühungen des Rechtsanwalts zur einvernehmlichen Beendigung vorliegen. Die Annahme des Anerkenntnisses reicht aus (LSG Schleswig-Holstein AGS 2014, 166 = NZS 2014, 399 = NJW-Spezial 2014, 316 – zur inhaltsgleichen Regelung der Anm. Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 3104 VV RVG).

Problematisch ist das Entstehen einer fiktiven Terminsgebühr im Rahmen einer Untätigkeitsklage.

Nach der Rechtsprechung des Hessischen LSG (AGS 2008, 550; 2010, 604) soll ein die fiktive Terminsgebühr auslösendes Anerkenntnis auch dann vorliegen, wenn die Behörde den begehrten Bescheid erlässt, der Rechtsstreit daraufhin für erledigt erklärt wird und zuvor bei Klageerhebung die Frist des § 88 SGG abgelaufen und kein zureichender Grund für eine verspätete Entscheidung des Leistungsträgers vorhanden war. In den beiden zitierten Entscheidungen ist die Terminsgebühr allerdings abgelehnt worden, weil jeweils die Frist des § 88 SGG nicht abgelaufen war.

Nach a.A. ist eine Terminsgebühr in diesem Fällen nicht möglich, da nach Erteilung des Bescheids die Erledigung des Verfahrens nur durch Erledigungserklärung erfolgen könne, nicht mehr aber durch Ankerkenntnis, weil die anerkannte Forderung auf Erteilung eines Bescheids ja bereits erfüllt sei (LSG NRW AGS 2008, 550 = Breith 2008, 919 = ZFE 2008, 436; Thüringer LSG, Beschl. v. 25.10.2010 – L 6 SF 652/10 B).

 

Beispiel 10: Untätigkeitsklage

Der Anwalt erhebt für den Kläger Untätigkeitsklage, nachdem die Frist des § 88 SGG abgelaufen ist. Nach Zustellung der Klage wird der Widerspruchsbescheid erlassen und das Verfahren für erledigt erklärt. Eine Begründung, weshalb eine Bescheidung innerhalb der Frist des § 88 SGG nicht möglich gewesen sei, gibt die Behörde nicht.

Nach Auffassung des LSG Hessen entsteht eine Terminsgebühr. Ausgehend von einer unterdurchschnittlichen Verfahrensgebühr, die in der Regel angenommen wird, wäre folgt zu rechnen:

 
1. Verfahrensgebühr, Nr. 3102 VV RVG   150,00 EUR
2. Terminsgebühr, Anm. S. 1 Nr. 3 zu Nr. 3106 VV RVG   135,00 EUR
3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG   20,00 EUR
  Zwischensumme 305,00 EUR  
4. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG   57,95 EUR
  Gesamt:   362,95 EUR

Nach Auffassung der LSG NRW und Thüringen wäre wie folgt zu rechnen:

 
1. Verfahrensgebühr, Nr. 3102 VV RVG   150,00 EUR
2. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG   20,00 EUR
  Zwischensumme 170,00 EUR  
3. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG   32,30 EUR
  Gesamt:   202,30 EUR

Unstreitig kann jedenfalls von einem Anerkenntnis i.S.d. Anm. S. 1 zu Nr. 3106 VV nicht ausgegangen werden, wenn die Behörde mangels Zustellung von der Untätigkeitsklage noch keine Kenntnis hatte (Hessisches LSG AGS 2016 = ASR 2016, 216 = NJW-Spezial 2016, 699).

Nicht ausreichend ist ein bloßes Teilanerkenntnis, weil dieses das Verfahren nicht beendet.

 

Beispiel 11: Teilanerkenntnis

Der Anwalt beantragt für den Kläger laufende Leistungen seit März. Die Behörde erkennt ihre Leistungspflicht ab August an. Der Anwalt nimmt das Anerkenntnis an und führt im Übrigen das Verfahren fort.

Da sich das Verfahren nicht erledigt hat, ist die Terminsgebühr nicht angefallen. Es bleibt bei der Verfahrensgebühr.

 
1. Verfahrensgebühr, Nr. 3102 VV RVG   300,00 EUR
2. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG   20,00 EUR
  Zwischensumme 320,00 EUR  
3. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG   60,80 EUR
  Gesamt   380,80 EUR

Wird nach einem Teilanerkenntnis gleichzeitig weitergehende Klage zurückgenommen, dürfte die Terminsgebühr anzuwenden sein (a.A. LSG NRW NZS 2014, 119). Es kann hier nichts anderes gelten als bei vorheriger Teilklagerücknahme und nachfolgendem Anerkenntnis. Dann wäre die Sache eindeutig. Auch hier ist die Rechtsprechung jedoch anderer Auffassung und gewährt bei Beendigung eines Verfahrens durch die Annahme eines Teilanerkenntnisses und Abgabe einer Teilrücknahmeerklärung keine fiktiven Terminsgebühr (LSG NRW NZS 2014, 119; LSG Sachsen...

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