1. Ausbildungsunterhalt

Nach § 1610 Abs. 2 BGB umfasst der Unterhalt den gesamten Lebensbedarf einschließlich der Kosten einer angemessenen Vorbildung zu einem Beruf. Der aus dieser Vorschrift folgende Anspruch eines Kindes auf Finanzierung einer angemessenen, seiner Begabung, Neigung und seinem Leistungswillen entsprechenden Berufsausbildung ist – wie das OLG Köln (FamRZ 2022, 1773) darlegt – vom Gegenseitigkeitsprinzip geprägt. Der Verpflichtung des Unterhaltsschuldners steht die Obliegenheit des Unterhaltsberechtigten gegenüber, die Ausbildung mit Fleiß und der gebotenen Zielstrebigkeit in angemessener und üblicher Zeit zu beenden (vgl. BGH FamRZ 2001, 757). Ist ein Studium mit einer Regelstudienzeit von sieben Semestern nach vier weiteren Semestern noch nicht abgeschlossen, spricht dies dafür, dass das Studium nicht mit der gebotenen Zielstrebigkeit in angemessener Zeit durchgeführt wurde. Soweit die Verzögerung auf pandemiebezogene Gründe gestützt wird, etwa fehlende Möglichkeiten von Leistungsnachweisen und Beeinträchtigungen durch Online-Vorlesungen, müssen die Verzögerungsgründe und die Abläufe im Einzelnen konkret dargelegt werden.

2. Unterhaltsrelevante Einkommenssteigerung und zu berücksichtigende Abzüge

Das OLG Saarbrücken (FamRZ 2022, 1186) betont, dass sich die Höhe des i.R.d. sog. Residenzmodells vom allein barunterhaltspflichtigen Elternteil zu zahlenden Unterhalts nach seinem jeweils aktuell erzielten Einkommen richtet. Eine Begrenzung des gem. § 1619 Abs. 1 BGB zu zahlenden Kindesunterhaltsanspruchs durch die vormaligen ehelichen Lebensverhältnisse der Eltern ist dem Verwandtenunterhalt fremd. Einkommenssteigerungen sind nur dann nicht zu berücksichtigen, wenn die Steigerung auf einer überobligationsmäßigen, nicht berufsüblichen Tätigkeit beruht. Hierzu gehören Überstunden jedenfalls dann nicht, wenn sie in dem ausgeübten Beruf üblich sind bzw. auf einer Mehrtätigkeit im Umfang von 10 % der üblichen Arbeitszeit beruhen (vgl. BGH FamRZ 2004, 186).

Umzugskosten und Aufwand für doppelte Haushaltsführung können das unterhaltsrechtlich zu berücksichtigende Einkommen mindern, soweit sie durch einen gerechtfertigten Wechsel der Arbeitsstelle unvermeidbar entstehen. Auch die Rückzahlung eines BAföG-Darlehens ist berücksichtigungswürdig. Erhöhter Mietaufwand rechtfertigt dagegen keine Kürzung, da die Wohnkosten zum allgemeinen Lebensbedarf gehören.

 

Hinweis:

Der Wohnkostenanteil, der in den Selbstbehaltsätzen der Leitlinien der OLG aufgeführt ist, ist lediglich im Mangelfall von Bedeutung.

Nach der Rechtsprechung des BGH (vgl. BGH FamRZ 2022, 434; 2008, 1739) können Selbstständige und nicht rentenversicherungspflichtig Beschäftigte bis zu 24 % ihres Bruttoeinkommens für die private Altersvorsorge einsetzen und dieser Abzug ist, soweit er tatsächlich betrieben wird, unterhaltsrechtlich zu akzeptieren. Das OLG Hamm (FamRZ 2022, 1373 m. Anm. Borth) folgt dieser Rechtsprechung, setzt aber trotz eines abgeschlossenen Unterhaltszeitraums das Einkommen des Vorjahres als Bezugspunkt voraus.

Wenn der unterhaltspflichtige Gewerbetreibende einen erzielten Gewinn im Betrieb belässt, so sei dies nicht zu korrigieren, soweit dies nicht vorwerfbar sei. Auch eine aus betrieblicher Sicht vorgenommene hohe Kreditbelastung sei hinzunehmen, wenn durch sie eine weitere Verschuldung vermieden wird.

Das OLG Frankfurt a.M. (FamRZ 2022, 1376) führt aus, dass negative Einkünfte aus einer selbstständigen Nebentätigkeit nicht zu berücksichtigen sind, wenn die Fortführung der Tätigkeit aus wirtschaftlichen Gründen unvernünftig ist, weil sich der Verlustzeitraum bereits über mehr als drei Jahre erstreckt hat und das Finanzamt an einer Gewinnerzielungsabsicht zweifelt.

3. Mietfreies Wohnen

Der BGH (FamRZ 2022, 1366 m. Anm. Langeheine = MDR 2022, 1028 = FuR 2022, 527 m. Hinw. Soyka = FamRB 2022, 342 m. Hinw. Schwamb) stellt klar, dass die kostenfreie Zurverfügungstellung von Wohnraum die Höhe des Kindesunterhalts regelmäßig nicht beeinflusst, sondern vorrangig im unterhaltsrechtlichen Verhältnis zwischen den Eltern ausgeglichen wird.

Dabei erhöht der für das Kind geleistete Barunterhalt durch den darin enthaltenen Mietkostenzuschuss den Wohnwert des mietfrei wohnenden Betreuungselternteils bei der Berechnung des Trennungs- bzw. Ehegattenunterhalts. Der Ausgleich kann auch darin bestehen, dass der Betreuungselternteil keinen Anspruch auf Trennungsunterhalt geltend machen kann, weil nach der Zurechnung des vollen Wohnwertes keine auszugleichende Einkommensdifferenz zwischen den Eltern mehr besteht. Diese Grundsätze schließen es nicht aus, dass die Eltern eine Vereinbarung darüber treffen, dass die Wohnungskosten durch den Naturalunterhalt des Barunterhaltspflichtigen abgedeckt werden.

 

Hinweis:

Für die Erfüllung des Barunterhaltsanspruchs aufgrund einer solchen Vereinbarung trifft den Barunterhaltsschuldner die Darlegungs- und Beweislast.

4. Beteiligung der Elternteile am Mehr- und Sonderbedarf

Neben die Tabellenbeträge, die den Regelbedarf abdecken, kann ein Mehrbedarf für solche Bedarfspositionen treten, welche ihrer Art nach nicht in den Tabellenbedarf einkalkuliert sind.

Nach der Rechtsprechung des BGH (vgl. BGH Fam...

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