Verfahrensgang

OLG Dresden (Urteil vom 07.12.1995)

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 10. Zivilsenats – Familiensenat – des Oberlandesgerichts Dresden vom 7. Dezember 1995 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als das Berufungsgericht zum Nachteil der Beklagten entschieden hat.

Die Revision der Klägerin wird – auch als Anschlußrevision – als unzulässig verworfen.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten des Revisionsverfahrens – an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Die am 16. Juni 1979 geborene Klägerin ist eine eheliche Tochter der Beklagten. Die Ehe der Eltern der Klägerin ist geschieden. Seither lebt die Klägerin bei ihrem Vater, dem während ihrer Minderjährigkeit das Sorgerecht übertragen worden war. Sie besucht das Gymnasium und hat keine eigenen Einkünfte.

In einem vor dem Bezirksgericht Dresden am 7. Mai 1981 abgeschlossenen Unterhaltsvergleich hat sich die Beklagte verpflichtet, an die Klägerin von der Vollendung des 12. Lebensjahres bis zur wirtschaftlichen Selbständigkeit eine monatliche Unterhaltsrente von 120 (DDR-)Mark zu zahlen. Mit ihrer am 16. Januar 1995 eingegangenen Klage begehrt die Klägerin unter Abänderung dieses Vergleichs einen höheren Unterhalt, und zwar vom 1. Oktober 1994 bis zum 31. Dezember 1994 monatlich 280 DM und ab dem 1. Januar 1995 monatlich 341 DM.

Die Beklagte ist wieder verheiratet. Aus ihrer zweiten Ehe hat sie eine 1988 geborene Tochter, die von den Eltern, die beide berufstätig sind, gemeinsam betreut wird. Die Beklagte ist als Arbeiterin bei einem Bau- und Heimwerkermarkt beschäftigt, ihr Ehemann als Vollzugsbeamter in der Justizvollzugsanstalt B..

Das Familiengericht hat unter Abweisung der Klage im übrigen die Beklagte verurteilt, an die Klägerin in Abänderung des vor dem Bezirksgericht Dresden abgeschlossenen Vergleichs ab dem 1. Oktober 1994 monatlich 145 DM Kindesunterhalt zu zahlen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht das Urteil dahin abgeändert, daß die Beklagte von Oktober bis Dezember 1994 monatlich 223 DM und ab dem 1. Januar 1995 monatlich 180 DM zu zahlen hat. Die weitergehende Berufung der Klägerin hat es zurückgewiesen.

Beide Parteien haben Revision eingelegt. Die Klägerin verfolgt ihr ursprüngliches Abänderungsbegehren weiter, soweit das Berufungsgericht ihm nicht stattgegeben hat. Die Beklagte begehrt die Zurückweisung der von der Klägerin eingelegten Berufung gegen das Urteil des Familiengerichts.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin ist unzulässig. Die Revision der Beklagten führt, soweit das Berufungsgericht zum Nachteil der Beklagten entschieden hat, zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.

Zur Revision der Klägerin:

Es handelt sich um eine Familiensache im Sinne des § 621 Abs. 1 Nr. 4 ZPO. In solchen Familiensachen ist die Revision nach § 621 d Abs. 1 ZPO nur statthaft, wenn das Oberlandesgericht sie zugelassen hat. Zwar hat das Oberlandesgericht im Tenor seines Urteils die Revision zugelassen, ohne dort bezüglich des Umfangs der Zulassung eine Einschränkung zu vermerken. In den Entscheidungsgründen hat es aber ausgeführt, es lasse die Revision zu, weil nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der es jedenfalls für den vorliegenden Fall nicht folgen wolle, eine Herabsetzung oder gar ein Wegfall der der Klägerin zugesprochenen Unterhaltsrente in Frage kommen könne, weil der Vater der Klägerin wesentlich mehr verdiene als die Beklagte und weil er deshalb verpflichtet sein könne, sich an dem Barunterhalt zu beteiligen, obwohl er schon den Betreuungsunterhalt leiste.

Damit hat das Oberlandesgericht die Zulassung der Revision beschränkt auf den abtrennbaren Teil, um den es den titulierten Unterhalt der Klägerin erhöht hat. Dagegen hat es die Revision nicht zugelassen, soweit es die Abweisung der Abänderungsklage durch das Familiengericht bestätigt hat.

Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, daß sich auch bei uneingeschränkter Zulassung der Revision im Tenor eine wirksame Beschränkung aus den Entscheidungsgründen ergeben kann (BGHZ 48, 134, 135 f.; BGH, Urteile vom 6. März 1986 – III ZR 234/84 – NJW 1986, 1809 f. und vom 16. März 1988 – VIII ZR 184/87 – NJW 1988, 1778; Zöller/Gummer, ZPO 20. Aufl. § 546 Rdn. 50 m.w.N.). Insofern gilt für die Zulassung der Revision in Familiensachen nach § 621 d Abs. 1 ZPO nichts anderes als für die Zulassung der Revision in normalen Zivilsachen nach § 546 Abs. 1 ZPO.

Das bedeutet allerdings nicht, daß, wenn das Berufungsgericht die Zulassung der Revision in den Entscheidungsgründen begründet hat, schon darin allein eine Beschränkung der Zulassung auf den Bereich der mitgeteilten Gründe gesehen werden kann (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. z.B. Senatsurteil vom 29. September 1993 – XII ZR 43/92 – FamRZ 1994, 98 f. m.N.; Zöller/Philippi, aaO § 621 d Rdn. 7 a). Eine Zulassungsbeschränkung kann vielmehr in solchen Fällen nur angenommen werden, wenn aus den Entscheidungsgründen des Berufungsurteils mit ausreichender Klarheit hervorgeht, daß das Berufungsgericht die Möglichkeit einer revisionsrechtlichen Nachprüfung nur wegen eines abtrennbaren Teils seiner Entscheidung eröffnen wollte (BGHZ 48 aaO S. 136; Senatsurteil vom 29. September 1993 und BGH, Urteil vom 16. März 1988, jeweils aaO).

Das ist hier der Fall. Dem Berufungsurteil ist eindeutig zu entnehmen, daß das Berufungsgericht lediglich der Beklagten die Möglichkeit eröffnen wollte, vom Revisionsgericht überprüfen zu lassen, ob der Vater der Klägerin verpflichtet ist, zum Barunterhalt der Klägerin beizutragen. Auf den aus anderen Gründen abgewiesenen Teil der Klageforderung kann das keinen Einfluß haben. Das Berufungsgericht hatte erkennbar weder Veranlassung noch die Absicht, der Klägerin die Möglichkeit zu eröffnen, mit Hilfe einer Revision einen höheren als den zugesprochenen Unterhaltsanspruch weiter zu verfolgen.

Diese Beschränkung der Revisionszulassung war zulässig, weil es sich bei der Teilabweisung des geltend gemachten Unterhaltsanspruchs um einen abtrennbaren Teil der Klageforderung handelt, der einem Teilurteil zugänglich gewesen wäre und auf den die Klägerin ihre Revision hätte beschränken können (ständige Rechtsprechung des BGH, vgl. z.B. Senatsurteil vom 25. Januar 1995 – XII ZR 195/93 – FamRZ 1995, 1405 f. = BGHR ZPO § 546 Abs. 1 Satz 1 Revisionszulassung, beschränkte 15 m.N.).

Die selbständig eingelegte Revision der Klägerin ist auch nicht als unselbständige Anschlußrevision zulässig. Ist die Zulassung der Revision wirksam auf einen Teil des Streitgegenstandes beschränkt worden, weil die Sache nur hinsichtlich dieses abtrennbaren Teils grundsätzliche Bedeutung hat, so kann das Berufungsurteil hinsichtlich des anderen Teils des Streitgegenstandes auch nicht durch eine unselbständige Anschlußrevision angegriffen werden (Senatsurteil BGHZ 130, 50, 58.f.).

II.

Zur Revision der Beklagten:

1. Das Berufungsgericht führt aus, die Klägerin sei unterhaltsbedürftig (§ 1602 BGB), weil sie keine eigenen Einkünfte habe und deshalb außerstande sei, sich selbst zu unterhalten. Da der Vater der (erst während des Revisionsverfahrens volljährig gewordenen) Klägerin den Betreuungsunterhalt leiste, sei die Beklagte im Rahmen ihrer Leistungsfähigkeit nach § 1606 Abs. 3 BGB zur Zahlung des Barunterhaltes verpflichtet. 1994 habe sie einschließlich Weihnachtsgeld, Urlaubsgeld und Prämien nach Abzug der Lohnsteuer und der Sozialversicherungsbeiträge im Monatsdurchschnitt 1.586,51 DM netto verdient. Davon abzuziehen seien 79 DM (5%) berufsbedingte Aufwendungen für Gewerkschaftsbeiträge, Fahrtkosten und Berufsbekleidung, die sie im einzelnen belegt und nachgewiesen habe, sowie ihr Beitrag von 53 DM (35%) zu den Kosten von monatlich 151 DM für die Kindertagesstätte, in der ihr Kind aus zweiter Ehe tagsüber betreut werde, weil beide Eltern berufstätig seien. Obwohl die Beklagte ihren beiden minderjährigen ehelichen Kindern gegenüber nach § 1603 Abs. 2 Satz 1 BGB eine erweiterte Unterhaltspflicht habe, müsse ihr der notwendige Selbstbehalt verbleiben, den das Oberlandesgericht Dresden in der zweiten Hälfte des Jahres 1994 regelmäßig mit 1.200 DM bemessen habe. Für die beiden Kinder verbleibe deshalb eine „Verteilungsmasse” von 254 DM (1.586 DM – 79 DM – 53 DM – 1.200 DM).

Der Mindestunterhalt für die Klägerin habe nach der damals gültigen Sächsischen Unterhaltstabelle 315 DM betragen. Ausgehend davon, daß die Beklagte und ihr Ehemann gemeinsam ein bereinigtes monatliches Nettoeinkommen von 3.750 DM hätten, habe das Kind der Beklagten aus zweiter Ehe nach Abzug des Kindergeldes von 70 DM einen Unterhaltsbedarf von 425 DM im Monat, den die Beklagte an sich nach dem Verhältnis ihres Einkommens zu dem Einkommen ihres Ehemannes mit monatlich 43 DM befriedigen müßte. Nach der Formel 315 × 254 : (315 + 43) stünden der Klägerin von den zu verteilenden 254 DM 223 DM zu.

Ab dem 1. Januar 1995 hätten sich die Verhältnisse geändert, weil neue, angepaßte Unterhaltsleitlinien herausgegeben worden seien, weil die Pflegeversicherung eingeführt worden sei und weil der Solidaritätszuschlag auf die Lohnsteuer zu zahlen gewesen sei. Nach der gleichen Berechnungsmethode ergebe sich deshalb ab dem 1. Januar 1995 für die Klägerin nur noch ein Unterhaltsanspruch von monatlich 180 DM.

Da der Vater der Klägerin als Leiter eines Baumarktes im Jahre 1995 13 Monatsgehälter á 5.200 DM brutto erhalten habe und somit wesentlich mehr verdiene als die Beklagte, sei nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs daran zu denken, den Vater der Klägerin an dem Barunterhalt zu beteiligen, obwohl er den Betreuungsunterhalt leiste. Von einer solchen Beteiligung sei jedoch abzusehen, weil die Beklagte nicht einmal den Mindestunterhalt für ihre Tochter zu zahlen habe.

Gegen die zuletzt wiedergegebene Ansicht des Berufungsgerichts wendet sich die Revision mit Erfolg. Eine Beteiligung des Vaters an dem Barunterhalt für die Klägerin kann mit dieser Begründung nicht verneint werden.

2. Nach § 1606 Abs. 3 Satz 1 BGB haften die Eltern für den Unterhalt eines Kindes nicht als Gesamtschuldner, sondern anteilig nach ihren Erwerbs- und Vermögensverhältnissen. Aus § 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB ergibt sich, daß im Falle des Getrenntlebens der Eltern der Elternteil, bei dem das Kind lebt, seinen Teil der Unterhaltspflicht grundsätzlich durch die Betreuung des Kindes in vollem Umfang erfüllt, während der andere Elternteil den Barunterhalt allein zu tragen hat. Dieser Grundsatz der Gleichwertigkeit von Barunterhalt und Betreuung gilt allerdings nicht uneingeschränkt. Er gilt z.B. nicht für Zusatzbedarf (Senatsurteil vom 27. April 1983 – IVb ZR 378/81 – FamRZ 1983, 689). Auch für den normalen Unterhaltsbedarf gilt er nicht, wenn die Vermögens- oder Einkommensverhältnisse des betreuenden Elternteils deutlich günstiger sind als die des anderen Elternteils. In einem solchen Falle kann die Barunterhaltspflicht des nicht betreuenden Elternteils sich ermäßigen oder ganz entfallen, insbesondere dann, wenn der nicht betreuende Elternteil zur Unterhaltszahlung nicht ohne Beeinträchtigung des eigenen angemessenen Unterhalts in der Lage wäre, während der andere Elternteil neben der Betreuung des Kindes auch den Barunterhalt leisten könnte, ohne daß dadurch sein eigener angemessener Unterhalt gefährdet würde. Die Inanspruchnahme des nicht betreuenden Elternteils zum Barunterhalt darf nicht zu einem erheblichen finanziellen Ungleichgewicht zwischen den Eltern führen (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. z.B. Senatsurteil vom 7. November 1990 – XII ZR 123/89 – FamRZ 1991, 182, 183 m.w.N.).

3. Das Berufungsgericht hat keine abschließenden Feststellungen zu den Vermögens- und Einkommensverhältnissen des Vaters der Klägerin getroffen. Es hat lediglich festgestellt, daß er bei 13 Monatsgehältern 5.200 DM brutto im Monat verdient. Es führt zutreffend aus, daß angesichts dieses Einkommens des Vaters der Klägerin und der festgestellten Einkommensverhältnisse der Beklagten jedenfalls nicht von vornherein ausgeschlossen werden kann, daß sich der Vater der Klägerin nach den dargelegten Grundsätzen an dem Barunterhalt beteiligen muß. Es meint jedoch, diesen Gesichtspunkt außer Betracht lassen zu können, weil die Beklagte wegen ihrer eingeschränkten Einkommensverhältnisse nicht einmal den Mindestunterhalt der Klägerin zu zahlen habe. Diese Argumentation ist schon im Ansatz fehlerhaft. Daß die Beklagte jedenfalls nicht mehr zahlen kann als 223 bzw. 180 DM im Monat, hängt damit zusammen, daß sie wenig verdient und deshalb allenfalls eingeschränkt leistungsfähig ist. Die eingeschränkte Leistungsfähigkeit der Beklagten ist aber kein Argument gegen eine Beteiligung des Vaters der Klägerin an dem Barunterhalt, sie ist im Gegenteil ein Argument für eine solche Beteiligung. Es mag richtig sein, daß sich der Vater ohnehin in gewissem Umfang am Barunterhalt beteiligt, weil die Beklagte nicht einmal den Mindestunterhalt zahlen kann. Dadurch wird aber nicht die rechtliche Beurteilung überflüssig, ob und in welchem Umfang er verpflichtet ist, Barunterhalt zu leisten, und wie sich das auf die Unterhaltsverpflichtung der Beklagten auswirkt.

4. Mit der gegebenen Begründung kann das Berufungsurteil deshalb keinen Bestand haben. Der Senat ist auch nicht in der Lage, selbst abschließend zu entscheiden (§ 565 Abs. 3 ZPO). Die Feststellungen des Berufungsgerichts reichen nicht aus, um beurteilen zu können, ob sich der Vater der Klägerin an ihrem Barunterhalt beteiligen muß. Insbesondere hat das Berufungsgericht – von seinem Standpunkt aus zu Recht – keine ausreichenden Feststellungen dazu getroffen, in welchen wirtschaftlichen Verhältnissen der Vater der Klägerin lebt. So hat es z.B. nur sein Bruttogehalt festgestellt, nicht aber sein (bereinigtes) Nettoeinkommen. Die Sache muß an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden, damit der Tatrichter die fehlenden Feststellungen nachholen und unter Berücksichtigung der dargelegten Grundsätze nach billigem Ermessen abwägen kann, ob sich der Vater der Klägerin an dem Barunterhalt beteiligen muß (vgl. Senatsurteil vom 7. November 1990 aaO S. 184).

Hat sich der Vater der Klägerin an deren Barunterhalt zu beteiligen, so wird eine völlig neue Berechnung des geltend gemachten Unterhaltsanspruchs erforderlich. Es ist jedenfalls nicht auszuschließen, daß die Beklagte dann nicht mehr an die Klägerin zahlen müßte als die 145 DM monatlich, zu deren Zahlung sie bereits rechtskräftig verurteilt ist. Das gilt insbesondere auch deshalb, weil das Berufungsgericht – von seinem Standpunkt aus zu Recht – von einer erweiterten Unterhaltspflicht der Beklagten gegenüber der minderjährigen Klägerin nach § 1603 Abs. 2 Satz 1 BGB ausgegangen ist und der Beklagten deshalb nur den notwendigen Selbstbehalt belassen hat, den es mit 1.200 DM im Monat annimmt, nicht den angemessenen Selbstbehalt. Nach § 1603 Abs. 2 Satz 2 BGB tritt jedoch die erweiterte Unterhaltspflicht nicht ein, wenn ein anderer unterhaltspflichtiger Verwandter vorhanden ist. Dieser andere unterhaltspflichtige Verwandte kann auch der andere Elternteil sein, wenn er leistungsfähig ist (ständige Rechtsprechung, vgl. BGH, Urteil vom 23. Januar 1980 – IV ZR 2/78 – FamRZ 1980, 555, 556; Senatsurteil vom 7. November 1990 aaO S. 184). Ist der Vater der Klägerin verpflichtet, sich an deren Barunterhalt zu beteiligen, kann deshalb die gesteigerte Unterhaltspflicht der Beklagten entfallen mit der Folge, daß ihr der angemessene Selbstbehalt (§ 1603 Abs. 1 BGB) zu belassen ist (BGH, Urteil vom 23. Januar 1980 aaO), den der Tatrichter zu bestimmen hat. Auch wenn der angemessene Selbstbehalt der Beklagten – wie im übrigen auch der notwendige Selbstbehalt – niedriger anzusetzen sein dürfte als die von der Praxis entwickelten Richtsätze, z.B. weil der Bedarf der Beklagten durch die gemeinsame Haushaltsführung mit ihrem ebenfalls berufstätigen Ehemann geringer sein dürfte (vgl. hierzu zutreffend OLG Hamm, FamRZ 1980, 916, 917 m.N.), ist jedenfalls nicht auszuschließen, daß dieser angemessene Bedarf höher ist als die vom Berufungsgericht als notwendiger Bedarf angerechneten 1.200 DM.

5. Die Klägerin meint demgegenüber, das Berufungsgericht habe übersehen, daß die Beklagte nach den Grundsätzen der Rechtsprechung des Senats zu den sogenannten Hausmann-Fällen gehalten sei, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen und das dabei erzielte Einkommen uneingeschränkt für den Unterhaltsbedarf der Klägerin zu verwenden. Diese Obliegenheit der Beklagten habe keine gesteigerte Unterhaltspflicht nach § 1603 Abs. 1 Satz 1 BGB zur Voraussetzung, sie folge vielmehr bereits aus dem in § 1609 BGB angeordneten Gleichrang der Unterhaltsansprüche der Kinder aus erster und zweiter Ehe. Die Beklagte könne sich nicht darauf berufen, daß sie ihr Arbeitseinkommen zur Deckung ihres eigenen Bedarfs benötige.

Dies ist nicht zutreffend. In den sogenannten Hausmann-Fällen hat sich der Ehemann mit seiner zweiten Ehefrau dahin geeinigt, daß sie berufstätig bleibt und den Lebensunterhalt der Familie verdient, während er seine Berufstätigkeit aufgibt und statt dessen das Kind aus zweiter Ehe betreut. Ist er einem Kind aus erster Ehe unterhaltspflichtig, liegt darin eine Obliegenheitsverletzung, weil er sich gleichrangig beiden Kindern widmen muß und seine Arbeitskraft nicht allein der Betreuung des Kindes aus zweiter Ehe zuführen darf. Er muß sich deshalb in einem solchen Falle „fiktiv so behandeln lassen, als hätte er wie bisher ein volles Erwerbseinkommen” (Senatsurteil vom 13. März 1996 – XII ZR 2/95 – FamRZ 1996, 815, 817). Bei der Berechnung des Unterhalts, den er aufgrund dieses fiktiven Einkommens entsprechend seiner Leistungsfähigkeit zu zahlen hat, ist der notwendige bzw. der angemessene Selbstbehalt zu berücksichtigen (Senatsurteil vom 26. September 1984 – IVb ZR 32/83 – NJW 1985, 318, 319). Wenn der einem Kind aus erster Ehe barunterhaltspflichtige Elternteil nach wie vor voll erwerbstätig ist, obwohl er ein Kind aus zweiter Ehe hat, kann nichts anderes gelten.

6. Die Zurückverweisung gibt den Parteien auch Gelegenheit, die Konsequenzen daraus zu ziehen, daß die Klägerin im Verlaufe des Revisionsverfahrens volljährig geworden ist, so daß eine Betreuung entfällt.

 

Unterschriften

Blumenröhr, Krohn, Zysk, Hahne, Gerber

 

Fundstellen

Haufe-Index 1383899

FamRZ 1998, 286

NJW-RR 1998, 505

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