Unpfändbarkeit von Nachtzuschlägen

Der BGH (Beschl. v. 29.6.2016 – VII ZB 4/15, NJW 2016, 2812) hat nun erstmalig zur (Un-)Pfändbarkeit von Nachtzuschlägen entschieden und seine Rechtsprechung geändert: "Nachtarbeitszuschläge sind, soweit sie dem Schuldner von seinem Arbeitgeber steuerfrei i.S.v. § 3b EStG gewährt werden, als Erschwerniszulagen i.S.v. § 850a Nr. 3 ZPO unpfändbar."

Im Umfang der steuerfreien Zahlung nach § 3b EStG sind Nachtzuschläge unpfändbar. Zur Begründung verweist der BGH auf die Rechtsprechung der Arbeits- und Verwaltungsgerichte sowie darauf, neuere Erkenntnisse würden ergeben, dass lange Nachtarbeitszeiten für die Gesundheit der Arbeitnehmer generell nachteilig sind und Maßnahmen zum Schutz und zur Sicherheit der Arbeitnehmer erfordern. Dies hat sich in der Rechtsetzung der Europäischen Union niedergeschlagen, wie die sog Arbeitszeitrichtlinie zeigt (vgl. Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4.11.2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung, ABl L 299 vom 18.11.2003, S. 9 ff., Erwägungsgrund 7; Richtlinie 93/104/EG des Rates vom 23.11.1993 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung, ABl L 307 vom 13.12.1993, S. 18 ff., Erwägungsgründe).

 

Hinweise:

  1. Die Entscheidung entspricht der überwiegenden Ansicht in der Literatur (vgl. Musielak/Voit/Becker, ZPO, 13. Aufl., § 850a Rn 5a; BeckOK-ZPO/Riedel, Stand: 1.3.2016, § 850a Rn 14; Hk-ZV/Meller-Hannich, 3. Aufl., § 850a ZPO Rn 21; Hk-ZPO/Kemper, 6. Aufl., § 850a Rn 5; nur für steuerfreie Nachtarbeitszuschläge: vgl. Zöller/Stöber, ZPO, 31. Aufl., § 850a Rn 10; PG/Ahrens, ZPO, 8. Aufl., § 850a Rn 12; Thomas/Putzo/Seiler, ZPO, 37. Aufl., § 850a Rn 4).
  2. Auch in der Rechtsprechung der Arbeits- und Verwaltungsgerichte wird verbreitet angenommen, dass Nachtarbeitszuschläge als Erschwerniszulagen i.S.d. § 850a Nr. 3 ZPO zu qualifizieren und daher unpfändbar seien (vgl. LAG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 9.1.2015 – 3 Sa 1335/14, juris Rn 43 ff.: zu § 8 TVöD; OVG Lüneburg, Urt. v. 17.9.2009 – 5 ME 186/09, juris Rn 3 ff.; VG Kassel, JurBüro 2013, 599, juris Rn 17 ff.; VG Stuttgart, Urt. v. 11.6.2012 – 3 K 878/12, juris Rn 18 ff.; VG Düsseldorf, Urt. v. 4.5.2012 – 13 K 5526/10, juris Rn 22 ff.; jeweils zu § 3 EZulV; so auch LG Hannover, Beschl. v. 21.3.2012 – 11 T 6/12, juris Rn 10 ff.).
  3. Der Arbeitnehmer soll den Nachweis der Unpfändbarkeit durch die Gehalts-/Lohnabrechnung des Arbeitgebers führen können (vgl. BGH 29.6.2016 – a.a.O., Rn 15). Dem Arbeitgeber obliegt wohl als vertragliche Schutz- und Nebenpflicht nach § 241 BGB, im Rahmen des § 3b EStG liegende, steuerfrei bezahlte Nachtzuschläge in der Abrechnung auszuweisen. Die Abrechnung ihrerseits ist nach § 108 GewO gesetzlich zwingend zu erteilen. Sie hat die Funktion den Nettoauszahlungsbetrag im Verhältnis zum Bruttoeinkommen zu erläutern.

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