Das BAG hat (BAG, Beschl. v. 15.4.2014 – 1 ABR 2/13 (B), NZA 2014, 551) seine Rechtsprechung zur Rechtsfolge der Unwirksamkeit des Beschlusses bei fehlerhafter Ladung aufgegeben (vgl. unten V. 1.) und zwei in Betriebsvereinbarungen häufig auftretenden Fragen entschieden. Mit Beschluss vom 12.11.2013 (1 ABR 58/12, 1 ABR 59/12, ZTR 2014, 302) hat der 1. Senat die Frage der Dauer einer "Rüstzeit" – die Zeit für das Anlegen vorgeschriebener Dienstkleidung, Hygienemaßnahmen oder Arbeitsmittel – als nicht mitbestimmungspflichtig erkannt (vgl. unten V. 2.), mit weiterem Beschluss vom 10.12.2013 (1 ABR 40/12, NZA 2014, 675) erklärt es der Senat für zulässig, die in einer Betriebsvereinbarung geregelte Erfassung der Arbeitszeit zu kappen, so dass sie dem Gleitzeitkonto nicht gutgeschrieben wird (vgl. unten V. 3.).

1. Fehlerhafte Ladung zu einer Betriebsratssitzung

Der 1. Senat des BAG (BAG, Beschl. v. 15.4.2014 – 1 ABR 2/13 (B), NZA 2014, 551; Aufgabe der Rechtsprechung des 7. Senats: BAG, Beschl. v. 22.1.2014 – 7 AS 6/13, NZA 2014, 441; BAG, Vorlagebeschl. v. 9.7.2013 – 1 ABR 2/13 (A), NZA 2013, 1433) gibt die bisherige Rechtsprechung zur Unwirksamkeit eines Beschlusses aufgrund fehlerhafter Ladung auf (abweichend: BAG, Beschl. v. 10.10.2007 – 7 ABR 51/06; BAG, Beschl. 28.10.1992 – 7 ABR 14/92, weil in der Betriebsratssitzung nicht sämtliche Betriebsratsmitglieder anwesend waren). Der 1. Senat vertritt nun die Auffassung, dass die Ladung zu einer Betriebsratssitzung ohne Mitteilung der Tagesordnung nicht zur Unwirksamkeit eines in dieser Betriebsratssitzung gefassten Beschlusses führt, wenn:

  • sämtliche Mitglieder des Betriebsrats rechtzeitig geladen sind,
  • der Betriebsrat beschlussfähig i.S.d. § 33 Abs. 2 BetrVG ist und
  • die anwesenden Betriebsratsmitglieder einstimmig beschlossen haben, über den Regelungsgegenstand des später gefassten Beschlusses zu beraten und abzustimmen.

Nicht erforderlich ist, dass in dieser Sitzung alle Betriebsratsmitglieder anwesend sind.

2. Kappen von Arbeitszeiten durch Betriebsvereinbarung

Die Regelung in einer Betriebsvereinbarung, dass über zehn Stunden hinaus geleistete werktägliche Arbeitszeit einem Gleitzeitkonto nicht gutgeschrieben wird, ist rechtswirksam (BAG, Beschl. v. 10.12.2013 – 1 ABR 40/12, NZA 2014, 675).

Die Arbeitgeberin ist tarifgebunden. Der anwendbare Manteltarifvertrag für die Arbeitnehmer der bayerischen Metall- und Elektroindustrie (MTV) sieht in § 2 Nr. 1 (I) eine wöchentliche Arbeitszeit von 35 Stunden vor und gem. § 4 Nr. 1 (I), dass auch die über zehn Stunden täglich hinaus geleistete Arbeitszeit als Mehrarbeit gilt, welche nach § 4 Nr. 1 (III) MTV zu vergüten ist, soweit sie angeordnet oder vom Arbeitgeber gebilligt wurde. Die Arbeitgeberin schloss mit dem Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung zur Arbeitszeit (BV-Arbeitszeit), nach der die Arbeitszeiten der Arbeitnehmer auf Gleitzeitkonten bis +/- 150 Stunden erfasst werden, der Gleitzeitrahmen von Montag bis Freitag von jeweils 6:30 Uhr bis 21:00 Uhr beträgt sowie dass die werktägliche Arbeitszeit von zehn Stunden grundsätzlich nicht überschritten werden darf. Zeiten, die darüber hinaus geleistet werden, werden zwar im Zeiterfassungssystem protokolliert, aber dort systemseitig gekappt und dem Gleitzeitkonto der Betroffenen nicht gutgeschrieben. Eine solche Gutschrift erfolgt nur ausnahmsweise auf Nachweis, dass die verrichtete Arbeit einen Notfall im Sinne des Arbeitszeitgesetzes darstellt. Für den Ausgleich des Gleitzeitkontos ist jeder Arbeitnehmer selbst verantwortlich, ab einem Gleitzeitstand von +/- 100 Stunden Arbeitszeit kann die Führungskraft Ausgleich anordnen. Der Betriebsrat begehrt die gerichtliche Feststellung, der Rechtsunwirksamkeit.

Das BAG hält den Antrag des Betriebsrats für unbegründet. Die streitgegenständliche Regelung ist vom Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 2, 3 BetrVG gedeckt. Die Betriebsparteien regeln nach Wortlaut, Systematik und Zweck der BV-Arbeitszeit nur die Arbeitszeit, nicht die Vergütung. Es wird mit der Betriebsvereinbarung nur das auf dem jeweiligen Arbeitszeitkonto verfügbare Arbeitszeitvolumen begrenzt. Zweck der Reglung ist es erkennbar ein Arbeitszeitregime zu schaffen, dass einerseits den Arbeitnehmern ein hohes Maß an Zeitsouveränität gewährt und andererseits zugleich sicherstellt, dass die gesetzlichen Höchstgrenzen des Arbeitszeitrechts beachtet werden. Das entspricht dem Regelungsauftrag des § 87 Abs.1 Nr. 2 BetrVG, das Interesse der Arbeitnehmer an der Lage der Arbeitszeit und damit zugleich der freien und für die Gestaltung ihres Privatlebens nutzbaren Zeit zur Geltung zu bringen.

 

Hinweise:

  1. Die Entscheidung trennt zwischen Kollektivrecht und Individualrecht. Die Betriebsvereinbarung regelt allein die Arbeitszeit und deren wünschenswerte, gesetzeskonforme Erbringung. Für die Vergütung verbleibt es bei den allgemeinen individualrechtlichen Regelungen. Soweit Arbeitszeit über das in der Betriebsvereinbarung geregelte Maß hinaus, ggf. gesetzeswidrig unter Verstoß gegen § 3 S. 2 ArbZG erbracht wird, mag ein Verstoß gegen die Betriebsvereinbarung vorliegen....

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