Der BVerfG-Beschluss vom 14.7.2016 (2 BvR 2748/14, StRR 9/2016, S. 18 = VRR 9/2016, S. 13 m. Anm. Niehaus) betraf Durchsuchungen im Bußgeldverfahren (zur Durchsuchung im Bußgeldverfahren vgl. Burhoff, in – auch vom BVerfG zitierten –: Burhoff (Hrsg.), Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche OWi-Verfahren, 4. Aufl. 2015, Rn 901 ff.). Gegen den Betroffenen waren in einem straßenverkehrsrechtlichen Bußgeldverfahren mit dem Vorwurf einer Geschwindigkeitsüberschreitung um 30 km/h zwei Durchsuchungen seiner Wohnung angeordnet worden, um dort Beweismittel (Motorradkleidung usw.) zu finden, aus denen man dann auf die Fahrereigenschaft des Betroffenen schließen können wollte. Das BVerfG hat die Maßnahmen als unverhältnismäßig angesehen.

Das BVerfG (a.a.O.) beanstandet vor allem die Verletzung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. Das Gewicht der Ordnungswidrigkeit sowie die aufgrund der guten Qualität der vorhandenen Beweismittelfotos erfolgversprechende Möglichkeit einer Identitätsfeststellung durch Einholung eines anthropologischen Gutachtens habe gegen den mit einer Wohnungsdurchsuchung verbundenen erheblichen Eingriff in das Grundrecht aus Art. 13 Abs. 1, Abs. 2 GG gesprochen. Zwar habe es sich bei der vorgeworfenen Ordnungswidrigkeit nicht um eine Bagatelle, aber auch nicht – wie von den Fachgerichten angenommen – um eine "beträchtliche" Geschwindigkeitsüberschreitung gehandelt. Ein Fahrverbot sei nicht vorgesehen (zur Relevanz eines drohenden Fahrverbots vgl. z.B. LG Freiburg, Beschl. v. 3.2.2014 – 3 Qs 9/14). Es seien zudem auch keine erschwerenden Umstände erkennbar gewesen. Insbesondere hätten die Fachgerichte aber verkannt, dass im vorliegenden Einzelfall wegen der guten Qualität der Beweismittelfotos die Einholung eines anthropologischen Gutachtens nahe gelegen habe und jedenfalls die sofortige, noch dazu mehrfache Anordnung der Wohnungsdurchsuchung deshalb zurückzustehen hatte (vgl. LG Zweibrücken NStZ-RR 1999, 339). Denn bei dem – vom AG später auch eingeholten – Gutachten nach Bildern handele es sich um ein erheblich milderes Mittel als es die Durchsuchung darstelle.

 

Hinweis:

Die Frage eines Beweisverwertungsverbots hat das BVerfG offen gelassen (zu den Beweisverwertungsverboten [im Strafverfahren] Burhoff, Handbuch für das strafrechtliche Ermittlungsverfahren, 7. Aufl. 2015, Rn 1461 ff. [im Folgenden kurz: Burhoff, EV]). Beim Beweisverwertungsverbot muss der Verteidiger immer an den Widerspruch denken (zur Widerspruchslösung Burhoff, Handbuch für die strafrechtliche Hauptverhandlung, 8. Aufl. 2016, Rn 3443 [im Folgenden kurz: Burhoff, HV]).

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