Gemäß § 133 Abs. 2 S. 1 BauGB entsteht die Beitragspflicht des Eigentümers oder Erbbauberechtigten eines Grundstücks für den darauf entfallenden Anteil am beitragsfähigen Erschließungsaufwand mit der endgültigen Herstellung der Erschließungsanlage. Ist die Erschließung demnach grundsätzlich von der Gemeinde vorzufinanzieren, so kann diese gem. § 133 Abs. 3 S. 1 BauGB schon vor Entstehung der Beitragspflicht Vorausleistungen auf den Erschließungsbeitrag erheben. Alternativ hierzu eröffnet § 133 Abs. 3 S. 5 BauGB den Gemeinden als Ausnahme von dem gesetzlichen Verbot vertraglicher Vereinbarungen über Erschließungskosten die Möglichkeit, mit dem Eigentümer oder Erbbauberechtigten eines Grundstücks vor Entstehung der Beitragspflicht einen öffentlichrechtlichen Vertrag über die Ablösung des gesamten Erschließungsbeitrags zu schließen (vgl. BVerwGE 84, 183, 188). Ein solcher Ablösungsvertrag bewirkt, dass ein anderenfalls mit Entstehen der sachlichen Erschließungsbeitragspflicht begründetes abstraktes Schuldverhältnis zwischen der Gemeinde und dem Grundeigentümer gar nicht erst entsteht, indem schon in einem Zeitpunkt, in dem die Anlage noch nicht endgültig hergestellt und folglich die Höhe des dafür anfallenden Aufwands nicht bekannt ist, eine abschließende vertragliche Regelung über die Belastung eines Grundstücks mit Erschließungskosten getroffen wird (vgl. BVerwGE 87, 77, 79).

Das BVerwG hat allerdings im vorgenannten Urteil angenommen, das Erschließungsbeitragsrecht setze dem Ausmaß einer von den Vertragspartnern hinzunehmenden Differenz zwischen der Höhe eines Ablösungsbetrags und der Höhe eines (ohne die Ablösung) auf ein Grundstück entfallenden Erschließungsbeitrags eine absolute Grenze ohne Rücksicht darauf, ob diese Differenz auf ablösungstypische Risiken zurückgehe. Der Ablösungsbetrag sei als ein vorgezogener Erschließungsbeitrag in das Regelungssystem des gesetzlichen Erschließungsbeitragsrechts eingebettet. Aus der gesetzlichen Beitragserhebungspflicht sowie dem Gebot der Abgabengerechtigkeit folge eine Missbilligungsgrenze, welche überschritten werde, wenn der Betrag, der dem Grundstück als Erschließungsbeitrag zuzuordnen sei, mindestens das Doppelte oder höchstens die Hälfte des vereinbarten Ablösungsbetrags ausmache. Im ersten Fall stehe der Gemeinde ein Nacherhebungsrecht, im zweiten dem Grundeigentümer ein Rückzahlungsanspruch zu (vgl. BVerwGE 87, 77, 82 ff.).

 

Hinweis:

Hieran hält das BVerwG in seinem Urteil vom 21.1.2015 (9 C 1.14, Städte- und Gemeinderat 2015, Nr. 5, 41 = BayVBl 2015, 499 ff. = RdL 2015, 176 ff.) nicht mehr fest.

Eine absolute, von der Ursache des Auseinanderfallens von Ablösungsbetrag und Erschließungsbeitrag unabhängige, allein an die Höhe der Differenz anknüpfende Grenze sei dem Gesetz nicht zu entnehmen. Sie lasse sich nicht mit dem "Wesen" des Ablösungsbetrags als "vorgezogener" Erschließungsbeitrag und der Einbettung des Ablösungsvertrags in das Regelungssystem des gesetzlichen Erschließungsbeitragsrechts begründen. Die Grenze der notwendigen Tolerierung eines derartigen Missverhältnisses bestimme sich vielmehr im Einzelfall nach den bundesrechtlich in § 60 VwVfG verankerten, im öffentlichen Recht darüber hinaus seit langem allgemein anerkannten Grundsätzen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage anhand einer Abwägung aller sich im Zusammenhang mit Ablösungsverträgen ergebenden Umstände und gegenläufigen Interessen. Damit ermögliche die Rechtsordnung auch ohne Heranziehung einer absoluten Missbilligungsgrenze, Abweichungen zwischen dem Erschließungsbeitrag und der vereinbarten Ablösung eine Grenze zu ziehen, bei deren Bestimmung zudem den Umständen des Einzelfalls Rechnung getragen werden könne. Ein sich danach möglicherweise ergebendes Nacherhebungsrecht könne die Gemeinde indes nicht unmittelbar durch Erschließungsbeitragsbescheid durchsetzen. Vielmehr bedürfe es der Geltendmachung des Anpassungsverlangens – ggf. im Wege der auf Vertragsanpassung gerichteten Leistungsklage.

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