Die Dauer eines gerichtlichen Verfahrens findet ihre Grenze in der zeitlichen Unangemessenheit. Für diesen Fall sieht § 198 Abs. 1 GVG einen Anspruch gegen den Staat vor. Nach der Rechtsprechung des BVerwG ist bei der Frage, ob die Verfahrensdauer unangemessen i.S.d. § 198 Abs. 1 S. 1 GVG ist, vor allem auch zu prüfen ist, ob Verzögerungen, die durch die Verfahrensführung des Gerichts eintreten, bei Berücksichtigung des den Ausgangsgerichten insoweit zukommenden Gestaltungsspielraums sachlich gerechtfertigt sind (vgl. BVerwGE 147, 146 Rn 37; 156, 229 Rn 135 m.w.N.). Zur Ausübung seiner verfahrensgestaltenden Befugnisse ist dem Gericht – auch im Hinblick auf die richterliche Unabhängigkeit (Art. 97 Abs. 1 GG) – ein Gestaltungsspielraum zuzubilligen. Verfahrenslaufzeiten, die durch die Verfahrensführung des Gerichts bedingt sind, führen nur dann zu einer unangemessenen Verfahrensdauer, wenn sie – auch bei Berücksichtigung des gerichtlichen Gestaltungsspielraums – sachlich nicht mehr gerechtfertigt sind (vgl. BVerwGE 147, 146 Rn 42; BVerwG NJW 2016, 3464 Rn 15, jeweils m.w.N.).

Die Gestaltungsfreiheit umfasst nach dem Beschluss des BVerwG vom 12.3.2018 (5 B 26.17 D) auch die Befugnis, mit Blick auf einen parallel anhängigen Rechtsstreit, der für die Entscheidung des Ausgangsverfahrens von rechtlicher Relevanz ist, dieses zeitweise "faktisch", d.h. ohne förmliche Anordnung nach § 94 VwGO auszusetzen. Erweise sich eine solche Verfahrensweise bei Zugrundelegung einer objektivierenden Betrachtung als vertretbar, könne etwa die mit der Bearbeitung oder Förderung eines Leitverfahrens korrespondierende Zeit der faktischen Aussetzung bei der Bewertung der angemessenen Dauer des parallel anhängigen Ausgangsverfahrens nicht zu Lasten des Staates gehen. Es dränge sich auf, dass dies für den Fall einer "förmlichen" Aussetzung nach § 94 VwGO entsprechend gelte.

 

Hinweis:

Die Aussetzung des Verfahrens ist nicht schon deshalb unvertretbar, weil die Beteiligten dem nicht zugestimmt oder widersprochen haben.

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