Trotz der expliziten Normierung des konventionsrechtlichen Beschleunigungsgebots in Art. 6 Abs. 1 S. 1 EMRK dauern z.B. die Verfahren der Individualbeschwerde nach Art. 34 EMRK vor dem EGMR oftmals extrem lange (vertiefend s. Heuchemer AnwBl. 2014, 411 ff.). Gesicherte empirische Zahlen existieren nicht, aber eine Verfahrensdauer von fünf Jahren und mehr ist (leider) eher die Regel als die Ausnahme (z.B. Dauer des Verfahrens Gäfgen vs. Germany vor dem EGMR, Appl. No. 229758/05: von 2005 bis 2010). Bis dahin hat der Mandant i.d.R. bereits einen mehrjährigen Leidensweg im gesamten nationalen Rechtszug einschließlich der Verfassungsgerichtsbarkeit hinter sich, den er gem. Art. 35 EMRK auch erschöpfen muss. Dies ist übrigens der legislatorische Grund für die äußerst großzügige und dogmatisch in weiten Grenzen "quer" zu den allgemeinen Regeln der Schadenssubstantiierung liegenden Judikatur des EGMR, die in Anwendung von Art. 41 EMRK einen pauschalierten Schadensersatz in oftmals vergleichsweise beträchtlicher Höhe gewährt.

 

Beispiel:

Selmouni vs. France Gerichtshof im Urt. v. 28.7.1999 – 25803/94, Rn. 101 ff: 500.000 FF für einen verurteilten Drogenkurier wegen rechtswidriger Erlangung der maßgeblichen Beweismittel. Geschluckte, per Präservativ im Magen verborgene Beweismittel entgegen des Grundsatzes nemo tenetur (privilege against self-incrimination) zuwider Art. 3, 6 Abs. 1 EMRK.

 

Literaturhinweis:

Zum Schadensersatz nach Art. 41 EMRK vgl. Grabenwarter, Europäische Menschenrechtskonvention, 5. Aufl. 2012, § 88 Rn. 1 ff., mit eingehenden Nachweisen aus der Rechtsprechung.

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