Die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II (Arbeitslosengeld II/Sozialgeld bzw. seit dem 1.1.2023 Bürgergeld) beinhalten u.a. einen Pauschalbetrag für den Regelbedarf. Dessen Höhe ist davon abhängig, welcher Regelbedarfsstufe die leistungsberechtigte Person zuzuordnen ist. Dies ist anhand der §§ 20 Abs. 24, 23 Nr. 1 SGB II zu bestimmen. Für zwei volljährige Partner einer Bedarfsgemeinschaft richtet sich die Höhe des Regelbedarfs nach Regelbedarfsstufe 2 (§ 20 Abs. 4 SGB II). Ob diese Regelbedarfsstufe auch dann anzuwenden ist, wenn einer der Partner wegen Leistungsberechtigung nach § 1 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) vom Leistungsbezug ausgeschlossen ist und die niedrigere Grundleistung nach § 3 AsylbLG erhält, hatte das BSG in seinem Urt. v. 15.2.2023 – B 4 AS 2/22 R zu klären.

Die 1971 geborene nicht erwerbsfähige Klägerin bezog zunächst Sozialgeld (§§ 19 Abs. 1 S. 2 SGB II i.V.m. § 23 SGB II) mit einem Regelbedarf nach Regelbedarfsstufe 1. Am 24.1.2017 zog ihr Ehemann bei ihr und den gemeinsamen Kindern ein. Am 25.1.2017 erließ der Beklagte einen Änderungsbescheid, mit dem er die vorausgehenden Bescheide an den seit dem 1.1. geltenden Regelbedarf der Regelbedarfsstufe 1 und den Krankenversicherungsbeitrag anpasste. Den Einzug des Ehemanns teilte die Klägerin dem Beklagten am 3.2.2017 mit. Mit Änderungsbescheid vom 7.2.2017 setzte der Beklagte das Sozialgeld nach der Regelbedarfsstufe 2 und den Kranken- und Pflegeversicherungszuschuss in bisheriger Höhe von 173,05 EUR fest. Ein Mehrbedarf wegen Alleinerziehung wurde nicht mehr gewährt. Der Ehemann erhielt die Grundleistung nach § 3 AsylbLG. Die Klägerin stellte einen Überprüfungsantrag, mit dem sie für die Zeit von März bis Mai 2017 Sozialgeld mit einem Regelbedarf der Regelbedarfsstufe 1 begehrte. Dieser Antrag wurde vom Beklagten durch Bescheid vom 27.6.2017 abgelehnt. Widerspruch, Klage und Berufung gegen diese Entscheidung blieben ohne Erfolg. Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts.

Rechtsgrundlage des Überprüfungsantrags war § 40 Abs. 1 S. 1 SGB II i.V.m. § 44 Abs. 1 SGB X. Zu prüfen war damit, ob bei Erlass des Verwaltungsakts das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen wurde, der sich als unrichtig erweist und deshalb Sozialgeld in zu niedriger Höhe erbracht wurde.

Fraglich war bereits, ob der Beklagte, das SG und das LSG den Verwaltungsakt vom 7.2.2017 zutreffenderweise auf § 40 Abs. 1 S. 1 SGB II i.V.m. § 48 SGB X stützten. Dies hing davon ab, ob der Verwaltungsakt vom 25.1.2017 die vorausgegangenen Verwaltungsakte lediglich änderte oder mit ihm neu über den Anspruch der Klägerin entschieden wurde. Das BSG ging von Letzterem aus. Dies ergebe die Auslegung des Verwaltungsakts vom 25.1.2017 unter Berücksichtigung des objektiven Empfängerhorizonts, wozu das BSG sich als Revisionsgericht für befugt hält (BSG, Urt. v. 28.6.1990 – 4 RA 57/89, BSGE 67, 104, 110; Urt. v. 25.8.2022 – B 9 V 2/21 R). Dass neu entschieden wurde, folge aus dem Wortlaut des Verfügungssatzes „Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch [SGB II] werden für die Zeit vom 1.1.2017 bis 31.8.2017 in folgender Höhe bewilligt:” und der erneuten tabellarischen Auflistung aller Leistungen sowie der dem Bescheid beigefügten Anlage mit einer vollständigen Berechnung der Leistungen (Rn 17 der Gründe). Da der Ehemann bereits einen Tag vor Erlass des Verwaltungsakts vom 25.1.2017 eingezogen war, lag keine Änderung i.S.v. § 48 SGB X vor. Damit schied § 40 Abs. 1 S. 1 SGB II i.V.m. § 48 SGB X als Rechtsgrundlage des Änderungsbescheids aus. Die Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts vom 7.2.2017 hätte vielmehr gem. § 40 Abs. 1 S. 1 SGB II i.V.m. § 45 SGB X geprüft werden müssen. Ob die Voraussetzungen von § 45 SGB X erfüllt waren, konnte das BSG indessen nicht abschließend prüfen, weil das LSG keine Tatsachen dazu festgestellt hatte, ob der Rücknahme des Verwaltungsakts vom 25.1.2017 schutzwürdiges Vertrauen i.S.v. § 45 Abs. 2 SGB X entgegenstand.

 

Hinweis:

Eine Verpflichtung zur Rücknahme des Verwaltungsakts nach § 40 Abs. 2 Nr. 3 SGB II i.V.m. § 330 Abs. 2 SGB III bestand nicht, weil kein Fall des § 45 Abs. 2 S. 3 SGB X (z.B. arglistige Täuschung, unrichtige oder unvollständige Angabe, Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis der Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts) vorlag.

Falls die weitere Sachverhaltsaufklärung ergibt, dass die Klägerin sich nicht auf Vertrauensschutz nach § 45 Abs. 2 SGB X berufen kann, darf der Verwaltungsakt vom 25.1.2017 nach den weiteren Ausführungen des BSG zurückgenommen werden. Bei der nach § 19 Abs. 1 S. 2 SGB II sozialgeldberechtigten Klägerin musste ab dem Einzug des Ehemanns gem. § 20 Abs. 4 SGB II i.V.m. § 20 Abs. 1a S. 2 SGB II, § 28 Abs. 1 SGB XII i.V.m. § 8 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 RBEG i.d.F. vom 22.12.2016, BGBl I, 3159) der Regelbedarf der Klägerin nach Regelbedarfsstufe 2 bemessen werden. Die Klägerin und ihr Ehemann erfüllten die Voraussetzungen von § 20 Abs. 4 SGB II. Beide hatte...

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