Beschwerdegegenstand einer Verfassungsbeschwerde können Akte der öffentlichen Gewalt sein (Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG). Grundsätzlich müssen alle Akte der Legislative, der Exekutive und der Judikative auf ihre Grundrechtskonformität hin nachprüfbar sein.

 

Hinweis:

Akte öffentlicher Gewalt sind nicht nur Handlungen, sondern auch Unterlassungen, vgl. §§ 92, 95 Abs. 1 S. 1 BVerfGG. Unterlassungen können nur dann Gegenstand einer Verfassungsbeschwerde sein, wenn die öffentliche Gewalt grundrechtlich zum Handeln verpflichtet ist.

Akte öffentlicher Gewalt sind zunächst Akte deutscher Hoheitsgewalt. Seit dem Maastricht-Urteil können theoretisch auch Akte supranationaler Organisationen (z.B. der Europäischen Union) mit der Verfassungsbeschwerde angegriffen werden. Auch Akte einer besonderen, von der Staatsgewalt der Mitgliedstaaten geschiedenen öffentlichen Gewalt einer supranationalen Organisation betreffen die Grundrechtsberechtigten in Deutschland. Sie berühren damit die Gewährleistungen des Grundgesetzes und die Aufgaben des Bundesverfassungsgerichts, die den Grundrechtsschutz in Deutschland und insoweit nicht nur gegenüber deutschen Staatsorganen zum Gegenstand haben (Abweichung von BVerfGE 58, 1, 27).

Allerdings übt das Bundesverfassungsgericht seine Gerichtsbarkeit über die Anwendbarkeit von abgeleitetem Gemeinschaftsrecht in Deutschland in einem "Kooperationsverhältnis" zum EuGH aus, indem der EuGH den Grundrechtsschutz in jedem Einzelfall für das gesamte Gebiet der Europäischen Gemeinschaften garantiert, das Bundesverfassungsgericht sich deshalb auf eine generelle Gewährleistung der unabdingbaren Grundrechtsstandards beschränken kann (BVerfGE 89, 155). Mit dem Lissabon-Urteil hat das Bundesverfassungsgericht seine ursprünglich angenommene generelle Zuständigkeit, den Vollzug von europäischem Gemeinschaftsrecht in Deutschland am Maßstab der Grundrechte der deutschen Verfassung zu prüfen, zurückgestellt, und zwar im Vertrauen auf die entsprechende Aufgabenwahrnehmung durch den EuGH (BVerfGE 123, 267, 399). Die Bilanz dieser Rechtsprechung ist aus Sicht vieler verheerend und das nicht erst seit dem Urteil zur Griechenlandhilfe und dem Euro-Rettungsschirm (BVerfGE 129, 124). Ein Akt der europäischen Unionsgewalt kann damit zwar im Grundsatz ein tauglicher Beschwerdegegenstand in einem Verfassungsbeschwerdeverfahren sein. Die Unzulässigkeit wird jedoch vermutet. Diese Vermutung kann nur durch einen erheblichen Begründungsaufwand widerlegt werden, von dem einige meinen, dass er gar nicht geleistet werden kann (Ruppert/Schorkopf, in: Burkiczak/Dollinger/Schorkopf, a.a.O., § 90 Rn 80 m.w.N.).

Das Bundesverfassungsgericht prüft im Rahmen einer Verfassungsbeschwerde nur die Verletzung "spezifischen Verfassungsrechts". Dadurch soll vermieden werden, dass es zu einer sog. Superrevisionsinstanz für alle Gerichtsentscheidungen wird. Die Grenze zwischen spezifischem Verfassungsrecht und einfachem Recht ist aber fließend, wie auch das Bundesverfassungsgericht zugesteht (BVerfGE 7, 198, 205 ff.). Eine Gerichtsentscheidung soll mithin nicht auf allgemeine Rechtsfehler hin untersucht werden. Die Gestaltung des Verfahrens, die Feststellung und Würdigung des Tatbestands, die Auslegung des einfachen Rechts sind – grundsätzlich – allein Sache der dafür allgemein zuständigen Gerichte und der Nachprüfung entzogen (BVerfGE 18, 85, 92).

Der ein Grundrecht verletzende Akt der öffentlichen Gewalt ist genau zu bezeichnen, § 92 BVerfGG. Eine gerichtliche Entscheidung muss mit Datum, Aktenzeichen, ggf. Verkündung, Zustellung, Bekanntgabe oder Kenntnisnahme verlässlich gekennzeichnet sein. Bei einer Verfassungsbeschwerde gegen ein Gesetz ist dieses insgesamt mit Datum und Inkrafttreten sowie den angegriffenen Normen nach Absatz und Satz zu bezeichnen.

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