Aus dem Bereich der verkehrsstrafrechtlichen Fragestellungen ist auf folgende Entscheidungen hinzuweisen.

1. Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort (§ 142 StGB)

Wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort nach § 142 StGB kann nur bestraft werden, wer vorsätzlich gehandelt hat, wobei bedingter Vorsatz genügt. Der Vorsatz nach § 142 Abs. 1 StGB muss sich auf alle Merkmale des äußeren Tatbestands erstrecken. Dazu gehört, dass der Täter weiß, dass es zu einem Unfall i.S.d. § 142 StGB gekommen ist. Der Täter muss erkannt oder wenigstens mit der Möglichkeit gerechnet haben, dass er einen Gegenstand angefahren, überfahren, jemanden verletzt oder getötet hat, bzw. dass ein nicht völlig bedeutungsloser fremder Sachschaden entstanden ist. Da Fahrlässigkeit nicht ausreicht, genügt es für die tatrichterliche Überzeugungsbildung nicht, lediglich äußere Umstände festzustellen, die einem durchschnittlichen Kraftfahrer nach aller Lebenserfahrung die Vermutung aufdrängen, es sei unter seiner Mitverursachung zu einem Verkehrsunfall mit jedenfalls nicht unbeachtlichem Sachschaden gekommen (KG, Beschl. v. 8.7.2015 – (3) 121 Ss 69/15, VRS 129, 4 = VA 15, 181). Zur sicheren Überzeugung des Tatrichters müsse vielmehr feststehen und für das Revisionsgericht nachvollziehbar begründet sein, dass auch der betreffende Täter für seine Person diese Kenntnis erlangt habe. Dabei reicht es nicht aus, dass der Angeklagte die Entstehung eines nicht unerheblichen Schadens hätte erkennen können und müssen. Damit sei kein (bedingter) Vorsatz, sondern lediglich Fahrlässigkeit erwiesen (KG, a.a.O.).

Das KG betritt mit dieser Entscheidung kein Neuland, sondern weist nur noch einmal auf das hin, was in der obergerichtlichen Rechtsprechung zu § 142 StPO Konsens ist: Der Vorsatz nach § 142 Abs. 1 StGB muss sich auf alle Merkmale des äußeren Tatbestands erstrecken, wozu eben auch gehört, dass der Täter weiß, dass es zu einem Unfall i.S.d. § 142 StGB gekommen ist (vgl. dazu Burhoff in: Ludovisy/Eggert/Burhoff, Praxis des Straßenverkehrsrechts, 6. Aufl. 2015, § 4 Rn 392 ff. m.w.N.). Dass er es hätte erkennen können und müssen, reicht eben nicht aus (vgl. dazu auch noch OLG Düsseldorf VRS 95, 254, 255 = zfs 1998, 312; OLG Hamm VRS 93, 166 = zfs 1997, 73; OLG Jena VRS 110, 15, 16, 17 = StV 2006, 529; OLG Köln DAR 2002, 88). Und das gilt vor allem, wenn es sich um einen Bagatellschaden handelt.

 

Hinweis:

Gerade bei Bagatellschäden werden von den AG häufig Fehler gemacht bzw. Formulierungen verwendet, die zur Darstellung des Vorsatzes nicht ausreichen. Entscheidend ist, dass, auch wenn davon auszugehen ist, dass dem Angeklagten der Anstoß an ein anderes Fahrzeug nicht entgangen ist, nicht nur der durchschnittliche Fahrzeugführer die Erheblichkeit des Schadens hätte erkennen können, sondern dass gerade der Angeklagte ihn erkannt oder seinen Eintritt für möglich gehalten hat (vgl. dazu schon KG DAR 2012, 393 = NZV 2012, 497). Dazu werden – vor allem eben bei Bagatellschäden – tatsächliche Feststellungen zum Schadensumfang erforderlich sein (s.a. KG a.a.O.).

2. Gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr/Straßenverkehrsgefährdung (§§ 315b, 315c StGB)

a) Verurteilung nach § 315b StGB

Die obergerichtliche Rechtsprechung bestätigt noch einmal: Ein vollendeter gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr gem. § 315b Abs. 1 StGB liegt erst dann vor, wenn durch eine der in § 315b Abs. 1 Nr. 1–3 StGB genannten Tathandlungen eine Beeinträchtigung der Sicherheit des Straßenverkehrs herbeigeführt worden ist und sich diese abstrakte Gefahrenlage zu einer konkreten Gefährdung von Leib oder Leben eines anderen Menschen oder fremder Sachen von bedeutendem Wert verdichtet hat. Danach kann ein willkürliches Abbremsen bei "hoher Geschwindigkeit", um den nachfolgenden Kfz-Führer zu einer scharfen Bremsung oder Vollbremsung zu zwingen, einen gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr durch Hindernisbereiten i.S.d. § 315b Abs. 1 Nr. 2 StGB darstellen (vgl. OLG Hamm, Beschl. v. 15.12.2015 – 5 RVs 139/15). Entsprechendes gilt, wenn ein Fahrzeugführer mit einem Pkw mit hoher Geschwindigkeit und ungebremst auf einen Streifenwagen zufährt, der sich quer zur Fahrbahn gestellt hat, um ein Durchkommen zu verhindern (vgl. BGH StV 2016, 286 = NZV 2016, 345). Allerdings muss in dem Fall das Urteil wegen vorsätzlichen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr (§ 315b StGB) konkrete Feststellungen zu den Entfernungsverhältnissen machen, die einen sicheren Schluss auf einen "Beinahe-Unfall" zulassen. Nur so kann sich nämlich ergeben, dass das Fahrverhalten des Angeklagten zu einer konkreten Gefahr für die in § 315b Abs. 1 Nr. 3 StGB bezeichneten Individualrechtsgüter geführt hat. Weiter bedarf es der Feststellungen zu einem zumindest bedingten Schädigungsvorsatz (BGH a.a.O.).

b) Verurteilung nach § 315c StGB

aa) Geisterfahrer

Eine Geisterfahrt, also das Fahren entgegen der vorgeschriebenen Fahrtrichtung, stellt keinen Verstoß gegen das Rechtsfahrgebot gem. § 315 Abs. 1 Nr. 2e StGB dar (OLG Köln, Beschl. v. 10.12.2015 – III-1 RVs 225/15, ZAP EN-Nr. 266/2016 = VRR 3/2016, 3 [Ls.]). Denn das Rechtsfahrgebot trifft seinem Sinn nach denjenigen Verkehrsteilnehmer nicht, der entgegen der vorgeschriebenen Fahrtrichtung fährt (König in...

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