Hinter dem Schlagwort "Mütterrente" verbirgt sich eine verbesserte Bewertung der Erziehungsleistung von Eltern, deren Kinder vor dem 1.1.1992, dem Inkrafttreten des SGB VI, geboren sind (ausführlich zur Mütterrente Lindner rv 2014, 41–47; Win­kel/Nakielski rv 2014, 240–242; zu Auswirkungen auf den Versorgungsausgleich Rehbein jurisPR-FamR 14/2014, Anm. 1 und Langheim Forum Familienrecht 2014, 222–231; bereits rechtskräftige Entscheidungen können ggf. auf Antrag [mit Wirkung ab diesem, s. § 226 Abs. 4 FamFG] abgeändert werden nach §§ 51 f. VersAusglG – wenn das bis zum 31.8.2009 geltende Recht zugrunde gelegt wurde – bzw. nach §§ 225 ff. FamFG). Nach bisheriger Rechtslage (§§ 56, 249 SGB VI a.F.) wurden Eltern für vor 1992 geborene Kinder nur während der ersten zwölf Lebensmonate des Kindes Kindererziehungszeiten gutgeschrieben, während Eltern ab 1992 geborener Kinder für die ersten 36 Monate Kindererziehungszeiten erhielten. Je Lebensmonat des Kindes erhält dabei nur ein Elternteil Kindererziehungszeiten. Diese Kindererziehungszeiten werden für Rentenbezugszeiten seit 1.7.2000 – zuvor war die Bewertung niedriger – mit knapp einem Entgeltpunkt (0,9996 EP) pro Jahr bewertet; es wird also für die Kindererziehungszeit eine Beitragszahlung aus einem knapp unter dem Durchschnittseinkommen liegenden Einkommen fingiert. Eltern, die selbst vor dem 1.1.1921 geboren sind, erhalten keine Kindererziehungszeiten (§ 249 Abs. 4 SGB VI). Stattdessen erhalten die vor 1921 geborenen Mütter (nicht jedoch die Väter) eine Kindererziehungsleistung (§ 294 SGB VI), und zwar bis 30.6.2014 in Höhe des aktuellen Rentenwerts, also bei einer mit Vollendung der Regelaltersgrenze in Anspruch genommenen Regelaltersrente die Gegenleistung für einen Entgeltpunkt (§ 295 SGB VI).

Durch das RV-Leistungsverbesserungsgesetz werden nun die Leistungen der Rentenversicherung für die Erziehung vor und ab 1992 geborener Kinder einander angenähert, wenn auch nicht gleichgestellt: Nunmehr werden bei einem Elternteil eines vor 1992 geborenen Kindes für 24 Lebensmonate Kindererziehungszeiten angerechnet (§ 249 SGB VI n.F.). Gleichzeitig wird die Kindererziehungsleistung für vor 1921 geborene Mütter auf monatlich das Doppelte des aktuellen Rentenwerts erhöht (§ 295 SGB VI n.F.).

Als Sonderregelung für am 30.6.2014 vorhandene Bestandsrentnerinnen und -rentner sieht der neue § 307d SGB VI (und flankierend § 249 Abs. 7 und 8 SGB VI n.F.) einen Zuschlag von einem persönlichen Entgeltpunkt vor. Dabei kommt es – für ab 1921 geborene Mütter – allein darauf an, dass in der bestehenden Rente für den zwölften Lebensmonat eines Kindes eine Kindererziehungszeit berücksichtigt worden ist; die tatsächlichen Erziehungsverhältnisse während des zweiten Lebensjahres des Kindes sind unerheblich. Damit kommt es zu Ungleichbehandlungen zwischen Bestandsrentnerinnen und -rentnern mit vor 1992 geborenen Kindern einerseits und Neurentnerinnen und -rentnern andererseits, meist zu Lasten der Neurentnerinnen und -rentner: Zum einen erhalten die Bestandsrentnerinnen und -rentner auch dann einen Zuschlag im Wert eines ganzen Erziehungsjahres, wenn das Kind nicht im gesamten zweiten Lebensjahr erzogen worden ist, weil es beispielsweise währenddessen verstorben ist. Hinzu kommt, dass der Zuschlag nicht nur anstelle von 0,9996 Entgeltpunkten einen vollen Entgeltpunkt, sondern sogar einen vollen persönlichen Entgeltpunkt (vgl. § 66 SGB VI) beträgt: Anders als bei Kindererziehungszeiten von Neurentnerinnen und -rentnern bleibt also bei Bestandsrentnerinnen und -rentnern ein verringerter oder erhöhter Zugangsfaktor wegen vorzeitiger oder späterer Inanspruchnahme der Rente (§ 77 SGB VI) unberücksichtigt; dies kann einen erheblichen Unterschied (bis zu 18 %) ausmachen.

Für Bestandsrentnerinnen und -rentner, die nach § 56 Abs. 4 SGB VI von der Kindererziehungszeit im ersten oder zweiten Lebensjahr des Kindes ganz oder teilweise ausgeschlossen sind, gilt § 307d SGB VI nicht; in diesen Fällen sind die Kindererziehungszeiten wie bei Neurentnerinnen und âEUR‘rentnern zu bestimmen. Dies betrifft Personen, die während der Kindererziehungszeit in einem aus dem Ausland einstrahlenden Beschäftigungsverhältnis tätig waren, Personen, die nach § 5 Abs. 4 SGB VI versicherungsfrei waren, und Personen, bei denen Kindererziehungszeiten in Sondersystemen, z.B. der beamtenrechtlichen Versorgung oder berufsständischen Versorgungswerken tatsächlich vorgesehen sind. Weil die berufsständischen Versorgungswerke solche Kindererziehungszeiten weithin nicht vorsehen, fallen die zusätzlichen Kindererziehungszeiten von Versicherten der Versorgungswerke der Rentenversicherung zur Last (kritisch hierzu Wersig SozSich 2014, 44; Wersig SozSich 2013, 395–398 sowie Nakielski SozSich 2013, 378 f.).

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