1. "EU-Führerscheintourismus" (zugleich Fahren ohne Fahrerlaubnis, § 21 StVG)

a) Grundlagen

Der lang andauernde Streit um den "EU-Führerscheintourismus" und seine Auswirkungen in der deutschen (Straf-)Rechtsordnung scheint im Kernbereich ausgestanden zu sein (zu den rechtlichen Grundlagen und der einschlägigen Rechtsprechung des EuGH s. die früheren Berichte m. Nw., zuletzt ZAP F. 9 R, S. 384; Zwerger zfs 2015, 184). Zur Zulässigkeit der verwaltungsrechtlichen Entziehung einer ausländischen EU-Fahrerlaubnis s. EuGH NJW 2015, 2945 = DAR 2015, 316 m. Anm. Zwerger = zfs 2015, 355; OVG Lüneburg NZV 2015, 356.

b) § 28 Abs. 4 S. 1 Nr. 4 FeV: Isolierte Sperrfrist

Der EuGH (DAR 2015, 382 = StRR 2015, 307/VRR 8/2015, 15 [jew. Pießkalla]); Fall Wittmann) hat klargestellt, dass die Anordnung einer isolierten Sperrfrist nach § 69a Abs. 1 S. 3 StGB als Einschränkung, Aussetzung oder Entzug der Fahrerlaubnis zu verstehen ist mit der Folge, dass sie der Anerkennung der Gültigkeit jedes von einem anderen Mitgliedstaat vor Ablauf dieses Zeitraums ausgestellten Führerscheins entgegensteht. Der Umstand, dass das anordnende Urteil nach der Ausstellung des Führerscheins in dem zweiten Staat rechtskräftig geworden ist, ist insoweit ohne Bedeutung, wenn dieser Führerschein nach der Verkündung des Urteils ausgestellt worden ist und die Gründe, die diese Maßnahme rechtfertigen, zum Zeitpunkt der Ausstellung dieses Führerscheins vorlagen. Wer während einer im Inland festgesetzten Sperrfrist ein fahrerlaubnispflichtiges Kfz führt, macht sich auch dann nach § 21 Abs. 1 Nr. 1 StVG strafbar, wenn er zuvor eine tschechische Fahrerlaubnis erworben hat (OLG Braunschweig VRR 9/2015, 10 [Pießkalla]). Aus dem Urteil muss sich aber ergeben, dass die Sperrfrist im Fahreignungsregister eingetragen und nicht nach § 29 StVG getilgt ist. Die Mitteilung der Eintragung im Bundeszentralregister genügt nicht (KG NStZ-RR 2015, 25 = StRR 2015, 151 [Küppers]).

2. Entziehung der Fahrerlaubnis (Schwerpunkt: Alkohol- oder Drogenkonsum)

a) Alkohol

Eine Entscheidung des VGH Mannheim aus dem Jahr 2014 hat für erhebliche Aufmerksamkeit gesorgt, wonach die strafgerichtliche Entziehung der Fahrerlaubnis wegen einer Fahrt unter Alkoholeinfluss für ein Wiedererteilungsverfahren ohne Weiteres die Notwendigkeit der Anordnung einer MPU auslösen soll, selbst wenn die BAK zur Tatzeit unter 1,6 ‰ – hier: 1,2 ‰ – lag (VGH Mannheim NJW 2014, 1833 = NZV 2014, 541 = DAR 2014, 416 mit abl. Besprechung Mahlberg DAR 2014, 419 = zfs 2014, 235 m. Anm. Haus 479 = StRR 2015, 70 [Pießkalla]). Das hat erhebliche Kritik und Ablehnung erfahren (u.a. vom VG München DAR 2015, 154 m. Anm. Zwerger = VRR 7/2015, 17 [Pießkalla]; Koehl DAR 2015, 52). Die weitere Entwicklung bleibt abzuwarten (s. Überblick bei Rebler NZV 2015, 371).

Bei einer sechs Jahre zurückliegenden erstmaligen und einzigen Trunkenheitsfahrt mit einem Fahrrad mit einer BAK von 2,42 ‰ soll die behördliche Aufforderung zur Beibringung eines MPU-Gutachtens nicht unverhältnismäßig sein (OVG Greifswald NZV 2015, 204). Dabei führt ein Fahrrad bereits derjenige, der auf einem rollenden Rad sitzt, da dies des Lenkens bedarf (VGH München NJW 2015, 1626 = NZV 2015, 409 = DAR 2015, 107 = zfs 2015, 236 = StRR 2015, 149/VRR 4/2015, 12 [jew. Burhoff]). Ist die Fahrerlaubnis wegen eines Alkoholdelikts entzogen und nachfolgend nach einer positiven MPU wiedererteilt worden, sind erneut Zweifel an der Fahreignung und die Anordnung einer neuen MPU gerechtfertigt, wenn der Betroffene rund drei Jahre später mit einer Atemalkoholkonzentration von 1,79 ‰ orientierungslos zu Fuß auf einer Autobahn, in Schlangenlinien laufend von der Polizei aufgegriffen wird (VG Neustadt DAR 2015, 539).

b) Drogen

Der Konsum von sog. harten Drogen (also mit Ausnahme von Cannabis) führt nach der Regelannahme gem. Nr. 9.1 der Anlage 4 zur FeV zum Verlust der Kraftfahreignung, ohne dass es darauf ankommt, ob eine regelmäßige Einnahme von Betäubungsmitteln vorliegt oder ein Kfz unter dem Einfluss von Betäubungsmitteln geführt worden ist. Gelegentlicher Konsum von Cannabis i.S.v. Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV liegt vor, wenn der Betroffene in zumindest zwei selbständigen Konsumvorgängen Cannabis zu sich genommen hat und diese Konsumvorgänge einen gewissen, auch zeitlichen Zusammenhang aufweisen. Ein gelegentlicher Konsument von Cannabis trennt dann nicht in der gebotenen Weise zwischen diesem Konsum und dem Führen eines Kfz, wenn er fährt, obwohl eine durch den Drogenkonsum bedingte Beeinträchtigung seiner Fahrtüchtigkeit nicht auszuschließen ist (BVerwG NJW 2015, 2439 = NZV 2015, 256 = DAR 2014, 711 = zfs 2015, 173 m. Anm. Haus = VRR 3/2015, 13 [Burhoff]). Auch wenn der Gelegenheitskonsument einen Abstand von 30 Stunden zwischen dem letzten Cannabiskonsum und der Teilnahme am Straßenverkehr einhält, fehlt es bei einem nachgewiesenen THC-Wert von über 1,0 ng/ml im Blut an der für die Fahreignung erforderlichen Trennungsfähigkeit (OVG Schleswig NJW 2015, 2202). Der ein- bzw. erstmalige Cannabiskonsum kann mit einem gelegentlichen Cannabiskonsum i.S.v. Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV nicht gleichgesetzt werden (OVG Hamburg NJW 2014, 3260 = NZV 2015, 407 = zfs 2014, 655).

 

Literaturhinweis:

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