Das Bundesverkehrsministerium plant derzeit weitere Änderungen in der Straßenverkehrsordnung. Mit einer StVO-Novelle sollen u.a. die Geldbußen für das Parken in zweiter Reihe, auf Geh- und Radwegen sowie das Halten auf Schutzstreifen erhöht werden. Zudem soll künftig ein Mindestüberholabstand von 1,5 m innerorts und von 2 m außerorts für das Überholen von Fußgängern und Radfahrern festgeschrieben sowie die Grünpfeilregelung auf Radfahrer ausgeweitet werden. Weiterhin soll das Nebeneinanderfahren von Radfahrern ausdrücklich erlaubt werden, wenn der Verkehr dadurch nicht behindert wird. Auf Schutzstreifen für den Radverkehr soll zudem künftig ein generelles Halteverbot gelten.

Zu diesen geplanten Änderungen haben auf Einladung des Bundestags-Verkehrsausschusses im September in einer öffentlichen Anhörung mehrere Experten Stellung genommen. Sie äußerten sich teils zustimmend, teilweise aber auch ablehnend.

So sah etwa der Leiter der Unfallforschung im Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft beim Nebeneinanderfahren von Radfahrern keinen Regelungsbedarf. Die Neuformulierung verschärfte eher den Konflikt zwischen Radfahrern und Autofahrern. Den Abbiegepfeil für Radfahrer bezeichnete er als Komfortverbesserung für Radfahrer, der jedoch keinen Sicherheitsgewinn für Fußgänger bringe. Was die Regelung angeht, wonach Lkw nur noch in Schrittgeschwindigkeit abbiegen dürfen sollen, gab er zu bedenken, dass damit ein Vollzugsdefizit entstehe. Um Abbiegeunfälle zu verhindern, werde das Abbiegeassistenzsystem benötigt, betonte er.

Für Letzteres sprach sich auch der Vertreter der Dekra aus. Er forderte die verpflichtende Einführung des Abbiegeassistenzsystems für Fahrzeuge oberhalb von 3,5 Tonnen. Die Systeme seien verfügbar und könnten nachgerüstet werden, sagte er. Kritisch bewertete er die Regelung, wonach Radfahrer an Kreuzungen an haltenden Fahrzeugen rechts vorbeifahren dürfen, wenn „ausreichend Platz” vorhanden sei. Dieser ausreichende Platz sollte mit mind. 1,5 m klar definiert werden, forderte er.

Der Experte vom Deutschen Verkehrssicherheitsrat wies daraufhin, dass die Überlebenschance für Fußgänger bei einer Kollision mit einem Auto bei Tempo 30 deutlich höher sei als bei Tempo 50. Einer bundesweiten Regelung für Tempo 30 innerorts stand er dennoch skeptisch gegenüber. Dafür brauche es mehr Forschung in festgelegten Modellregionen, sagte er und plädierte dafür, dass Kommunen eigenständig Tempo-30-Zonen ausweisen können und zwar in größerem Umfang als bisher.

Der Vertreter des ADAC war der Auffassung, dass ein absolutes Halteverbot in zweiter Reihe und auf Fahrradschutzstreifen zu Problemen führen könne. Es sei dann nicht mehr möglich, betagte und gehbehinderte Menschen bis beispielsweise vor die Arztpraxis zu fahren, anzuhalten und sie dort aussteigen zu lassen. Auch die Situation von Paketauslieferern gelte es zu bedenken. Da ein solches Halten im Grunde immer eine Behinderung darstelle, drohten Bußgeldbescheide und Punkte.

Die Expertin vom Auto Club Europa (ACE) kritisierte die geplante Freigabe von Busspuren für Pkw mit mehr als drei Insassen und Elektrokleinstfahrzeuge. Dadurch könne der Öffentliche Personennahverkehr an Attraktivität verlieren. Positiv äußerte sie sich zu den Schutzstreifen für Fahrradfahrer auf Landstraßen mit einer geringen Nutzung, bei denen der Bau von Fahrradwegen nicht vertretbar sei. Diese Schutzstreifen schafften mehr Aufmerksamkeit für Radfahrer.

Der Vertreter des Deutschen Instituts für Urbanistik sah die Einführung eines Verkehrszeichens für Fahrradzonen als nicht erforderlich an, da Fahrradstraßen streckenbezogen im Zuge von Fahrradrouten sinnvoll seien, jedoch nicht im Zuge einer Zonenregelung. Alternativ sei zu empfehlen, dass Radfahrer in Tempo-30-Zonen generell nebeneinander fahren dürfen. Diese Regelung sei nicht nur wesentlich einfacher vermittelbar, sondern würde auch ohne zusätzlichen Beschilderungsaufwand zum gleichen Ergebnis führen.

Schließlich warnte ein Professor von der Friedrich-Schiller-Universität Jena davor, StVG und StVO mit Verbotsregelungen zu überfrachten, deren Einhaltung in der tagtäglichen Praxis nicht überwacht werden könnte und deren Missachtung daher auch nicht sanktioniert werde. Dies würde letztlich zulasten der Akzeptanz und Überzeugungskraft der Regelungen gehen, mahnte er.

[Quelle: Bundestag]

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