Im Strafverfahren besteht für die Hauptverhandlung (1. Instanz) grundsätzlich die Anwesenheitspflicht des Angeklagten. Von der kann der Angeklagte nur unter besonderen Voraussetzungen befreit werden (vgl. dazu unten VI. und Burhoff, Handbuch für die strafrechtliche Hauptverhandlung, 8. Aufl. 2018, Rn 398 m.w.N., im Folgenden kurz: Burhoff, HV). Nach § 230 Abs. 1 StPO findet bei Ausbleiben des Angeklagten eine Hauptverhandlung i.d.R. nicht statt, damit dieser sein aus dem Grundsatz eines fairen Verfahrens resultierendes Recht, sich selbst zu verteidigen (Art. 6 Abs. 3 Buchst. c EMRK, Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG; EGMR, Beschl. v. 8.1.2008 – 30443/03 [Liebreich/Deutschland]; BVerfGE 89, 120 = StV 1993, 620), tatsächlich auch wahrnehmen und seinen Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) verwirklichen kann.

Diese Anwesenheitspflicht des Angeklagten führt dazu, dass der Angeklagte (öffentlich-rechtlich) verpflichtet ist, vor Gericht zu erscheinen und anwesend zu bleiben (§ 231 Abs. 1 StPO), wenn dieses im Rahmen der gerichtlichen Aufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2 StPO) über seine Schuld und ggf. zu verhängende Sanktionen verhandelt. Nur in bestimmten Fällen, in denen es auf die persönliche Anwesenheit nicht zwingend ankommt, wird der Angeklagte von seinem Erscheinen entbunden (§ 233 StPO; vgl. dazu VI.); in anderen Fällen kann er sich – i.d.R. durch den Verteidiger – vertreten lassen (§ 234 StPO; vgl. dazu Burhoff, HV, Rn 3539 ff.), sofern nicht sein persönliches Erscheinen durch das Gericht angeordnet (§ 236 StPO) oder bei wirksamer Vertretung die Anwesenheitspflicht durch das Gesetz selbst aufgehoben ist (§ 412 S. 1 StPO).

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