Im Jahr 2013 hatte u.a. ein Problem Strafverteidiger bewegt. Nämlich die Frage, ob der Verteidiger dem Mandanten vollständige Kopien der Verfahrensakten übergeben darf, selbst wenn diese digitalisierte kinderpornografische Bilddateien enthalten und/oder, ob der Verteidiger einem von ihm beauftragten Sachverständigen entsprechende Dateien überlassen darf? Das OLG Frankfurt/M. hatte beides verneint und das Verfahren gegen den Verteidiger, das vom LG Marburg nicht eröffnet worden war, eröffnet (NJW 2013, 1107 = StRR 2013, 347). Das LG Marburg ist dem im gerichtlichen Verfahren nicht gefolgt und hat u.a. den Tatbestandsausschluss des § 184b Abs. 5 StGB bejaht.

In dem Verfahren hat dann der BGH (Urt. v. 19.3.2014 – 2 StR 445/13, NStZ 2014, 514 = StRR 2014, 349 m. Anm. Barton; s.a. Jahn JuS 2014, 1046; Meyer-Lohkamp/Schwerdtfeger StV 2014, 772) die Auffassung des LG Marburg bestätigt. Der 2. Strafsenat sieht den Verteidigers als berechtigt, eigene Ermittlungen durchzuführen und ggf. Sachverständige zu beauftragen, selbst wenn dabei einem Dritten kinderpornografische Dateien zur Verfügung gestellt werden. Allerdings ist dies nur dann durch § 184b Abs. 5 StGB gedeckt, wenn es zur Wahrnehmung der Verteidigeraufgabe erforderlich ist. Dem ist zuzustimmen (s.a. Barton a.a.O.). Eigene Ermittlungen werden dadurch – auch beim Vorwurf der Kinderpornografie – nicht ausgeschlossen (vgl. in dem Zusammenhang Nr. 220 RiStBV und dazu OLG Köln, Beschl. v. 5.3.2015 – 2 Ws 115/15, StRR 2015, 305).

 

Hinweis:

Es bleibt damit aber immer noch die Frage, zu der auch der BGH nicht Stellung genommen hat. Nämlich: Kann der Verteidiger seinem Mandanten (digitalisierte) Aktenkopien mit inkriminiertem Material überlassen? Auf der Grundlage des BGH (Urt. v. 19.3.2014 – 2 StR 445/13, NStZ 2014, 514 = StRR 2014, 349 m. Anm. Barton) wird man sie bejahen müssen. Sofern es für die Wahrnehmung der Verteidigeraufgabe erforderlich ist, darf der Verteidiger die entsprechenden Kopien von Akten an seinen Mandanten weiterreichen. Und im Zweifel wird das erforderlich sein. Schließlich muss auch der beschuldigte Mandant prüfen können, ob die fraglichen Bilder kinderpornografischer Natur sind (§ 184b Abs. 1 StGB) und ob sie ein tatsächliches oder wirklichkeitsnahes Geschehen (§ 184b Abs. 4 StGB) wiedergeben (Barton a.a.O. m.w.N.). Im Übrigen gilt dasselbe, was auch bei den eigenen Ermittlungen gilt: Etwaige Ermittlungen im Hinblick darauf, ob die Überlassung der Kopien erforderlich war, dürfen niemals in den Kernbereich der Strafverteidigung eingreifen.

Autor: Rechtsanwalt Detlef Burhoff, RiOLG a.D., Münster/Augsburg

ZAP 19/2015, S. 1041 – 1052

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