In der Praxis kommt es häufig vor, dass Mieter sich gegenüber einer Zahlungsverzugskündigung darauf berufen, dass das Sozialamt oder das Job-Center die Miete nicht gezahlt hätten, obwohl hierauf ein Anspruch bestanden hätte. Die Kündigung gem. § 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB setzt Verzug und dieser wiederum Vertretenmüssen voraus. Vertretenmüssen ist gesetzlich definiert in § 276 BGB. Danach hat der Schuldner Vorsatz und Fahrlässigkeit zu vertreten, wenn nicht ausnahmsweise eine strengere oder mildere Haftung bestimmt ist oder aus dem sonstigen Inhalt des Schuldverhältnisses, insbesondere aus der Übernahme einer Garantie oder eines Beschaffungsrisikos, zu entnehmen ist. Und genau eine solche strengere Haftung besteht für Geldschulden, denn jeder ist für seine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit selbst verantwortlich ("Geld hat man zu haben"). Im Mietrecht gilt kein abweichender Verschuldensmaßstab. Vielmehr gibt es im Wohnraummietrecht diverse Regelungen, die den Mieter schützen, z.B. die Schonfristzahlung. Deshalb steht dem für einen Mietzahlungsverzug des Mieters gem. § 286 Abs. 4 BGB erforderlichen Vertretenmüssen nicht entgegen, dass er, um die Miete entrichten zu können, auf Sozialleistungen einer öffentlichen Stelle angewiesen ist und er diese Leistungen rechtzeitig beantragt hat (BGH WuM 2015, 152 = GE 2015, 313 = NZM 2015, 196 = DWW 2015, 89 = MDR 2015, 327 = ZMR 2015, 288 = MietPrax-AK § 543 BGB Nr. 34 mit Anm. Börstinghaus; Theesfeld jurisPR-MietR 6/2015 Anm. 3; Börstinghaus LMK 2015, 367524; Schach MietRB 2015, 98/109; Drasdo NJW-Spezial 2015, 257). Kündigt der Vermieter in einem solchen Fall gem. § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 BGB aus wichtigem Grund, findet eine Berücksichtigung von persönlichen Umständen und Zumutbarkeitserwägungen grundsätzlich nicht statt. Vielmehr sind die nach dieser Vorschrift allein auf den Umstand des Zahlungsverzugs abstellenden Kündigungsgründe vom Gesetzgeber so konzipiert worden, dass bei Erfüllung der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 BGB bereits ein wichtiger Grund zur fristlosen Kündigung gegeben ist und die in § 543 Abs. 1 BGB genannten Abwägungsvoraussetzungen nicht noch zusätzlich erfüllt sein müssen.

Etwas anderes kann aber dann und wohl nur dann gelten, wenn der Mieter sich aufgrund eines Bescheids auf die Zahlung der Miete durch das Sozialamt direkt an den Vermieter verlassen durfte und erstmals durch die fristlose Kündigung des Vermieters davon erfährt, dass das Jobcenter diese schon Monate vorher bewilligte Mietzahlung tatsächlich nicht vorgenommen hat. In diesem Fall, kann ausnahmsweise ein unverschuldeter Tatsachenirrtum des Mieters vorliegen, der sowohl den für eine Kündigung gem. § 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB erforderlichen Verzug wie auch die für eine Kündigung gem. § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB erforderliche schuldhaft Pflichtverletzung ausschließt (BGH GE 2015, 653 = NJW 2015, 1749 = ZMR 2015, 374 = NZM 2015, 487 = MietPrax-AK § 543 BGB Nr. 36 mit Anm. Börstinghaus).

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